Moderne Smartphones sind oft auch bemerkenswerte Kameras – und noch dazu immer dabei. Hersteller wie Apple bewerben die Kameras gar als Profi-Alternative. Doch sind sie wirklich gegenüber „echten“ Kameras im Vorteil? Wir widmen uns dem Duell Smartphone vs. Kamera und schauen uns an, was an dieser These dran ist.

Smartphone vs. Kamera: Was ist 2023 die bessere Wahl?
Die beste Kamera ist immer die, die dabei ist.
Diesem schlagenden Argument folgend ist jedes Smartphone jeder noch so hochwertigen „echten“ Kamera überlegen – denn es ist eben tatsächlich immer griffbereit und muss nicht erst in die Fototasche gepackt werden.
Smartphone-Hersteller wie Apple, Google, Samsung und LG haben das schon früh erkannt – und liefern sich seit über zehn Jahren ein Wettrüsten der in den Smartphones verbauten Kameratechnik: Mit immer besseren Linsen und Sensoren, hohen Auflösungen, Zoom-Funktionen, KI-Unterstützung und nicht zuletzt RAW-Aufnahmen haben Smartphones klassische Kompaktkameras weitestgehend vom Markt verdrängt.
Droht dieses Schicksal nun auch den APS-C- und Vollformatkameras? Immerhin preislich drängt sich so manches Smartphone inzwischen in Bereiche, in denen Fotografinnen und Fotografen nicht mehr über ein „und“, sondern ein „oder“ nachdenken müssen. Kann der Fotorucksack also bald im Schrank bleiben?
Bildqualität im Check


In Sachen Bildqualität haben Smartphones in den letzten fünf Jahren enorme Fortschritte gemacht: Selbst aus der Hüfte geschossene Fotos sind auf den ersten Blick brillant. Fotografische Gestaltungsmittel wie Bokeh, Makro, verschiedene Brennweiten oder sogar Available-Light-Fotografie sind bei Geräten wie dem iPhone 14 Pro, dem Google Pixel 7 Pro oder dem Samsung Galaxy S22 Plus kein Problem mehr.
Und augenscheinlich liefern die Geräte diese Bilder im Gegensatz zu „echten“ Kameras ohne große Anstrengung, ohne lästige Einstellung von Belichtungszeit, ISO und Blende, ja oft sogar ohne Stativ. Kurzum: Vor allem in spontanen Situationen sind Smartphones inzwischen tatsächlich die besseren Kameras.


Doch wer genau hinsieht, wird schnell feststellen, dass die Smartphones tricksen – und das nicht zu knapp. Denn obwohl es sich bei den Kameras um technische Wunderwerke handelt, gibt es eben auch physikalische Grenzen – und die sind mit winzigen Sensoren und ihren kleinen Linsen auf der Smartphone-Rückseite kaum zu überwinden.
Die Smartphones tricksen mit allen Mitteln – und diese Trickserei wird spätestens bei der Betrachtung der Bilder auf einem großen Bildschirm ersichtlich.
Die Tricks von iPhone und Co.
Ein Beispiel: Das iPhone 14 Pro gilt als eines der besten Kamera-Smartphones zurzeit.
Es besitzt auf der Rückseite drei Kameras für Weitwinkel, Ultraweitwinkel und Tele. Doch nur die „Hauptkamera“ – das 24mm-Weitwinkel – hat mit 1/1,28" eine nennenswerte Sensorgröße: Deutlich größer als bei so mancher Kompaktkamera – aber eben nach wie vor winzig im Vergleich zu APS-C- oder gar Vollformat-Sensoren.


Und auch die Optik ist mangels Größe, Blende und Qualität nicht mit echtem Glas, wie es an Fotoapparaten zum Einsatz kommt, vergleichbar. Dieses Defizit lösen Smartphones einerseits durch Aufnahmen mehrerer Fotos zugleich, andererseits durch Zusammenfügen der Aufnahmen und nicht zuletzt durch leistungsfähige Machine-Learning-Funktionen und Optimierungsroutinen im Smartphone selbst.
Heraus kommen Ergebnisse, die sich auf Smartphones, Tablets und Social-Media-Plattformen und Abzügen zwar durchaus sehen lassen können – aber nur noch teilweise etwas mit der Realität zu tun haben.
Schlechtes Licht: Und Tschüss!
Spätestens bei schlechtem Licht – und hier reden wir nicht von nebliger Dämmerung und düsteren italienischen Kirchen, sondern durchaus schon Tageslicht an einem wolkigen Wintertag – explodieren bei vielen Smartphones die Belichtungszeiten und Rauschwerte der kleinen Sensoren.


Die Automatik versucht, das in den Griff zu bekommen, indem sie Restlicht verstärkt und mehrere Fotos mit kurzer Belichtungszeit und hoher ISO schießt, um zumindest Wacklern entgegenzuwirken.
Dabei malt sie buchstäblich Kunstwerke, denn der Aquarelleffekt ist unübersehbar.

Videos sind nicht so anfällig für die technischen Unzulänglichkeiten der Smartphone-Kameras wie Fotos: Verwackler gibt es nicht, nicht immer sicherer Fokus und Rauschen verschwinden „im Fluss“ oder sind sogar Stilmittel. Smartphones der Oberklasse können problemlos hohe Auflösungen und professionelle Dateiformate, Stichwort Apple ProRes, aufzeichnen.
Fokus-Probleme
Auch in Situationen, in denen es schnell gehen muss, sind Smartphones nicht immer eine gute Wahl: Durch die Hilfstechnologien, wie das Zusammenrechnen mehrerer Aufnahmen, entspricht der Auslösemoment nicht dem Augenblick, in dem das Foto tatsächlich aufgenommen wurde:
Diese moderne Form der Auslöseverzögerung verwandelt sich bewegende Motive in pures Glücksspiel: Sitzt der Fokus? Wird das Bild wirklich scharf? Kommt dann noch schlechtes Licht ins Spiel – hier reicht schon ein spärlich beleuchteter Wohnraum – versagen in wuseligen Situationen auch die besten Smartphone-Kameras.
Auflösung: Der Elefant im Raum
Kommen wir zum Elefanten im Raum, der Bildauflösung. Zwar können viele moderne Smartphone-Sensoren bis zu 50 Megapixel und mehr aufzeichnen – allerdings nur im RAW-Format. Geräte wie das iPhone oder das Samsung Galaxy S22 brechen diese Auflösung im JPEG-Format aber auf die klassischen 12 Megapixel herunter.
Der Grund ist, dass die Megapixel im Smartphone eher der Unterstützung der Zoom- und KI-Funktionen dienen. Dadurch sind Smartphone-Bilder in der Entwicklung oft auf kleine Größen beschränkt. Hier können aber die von uns getesteten KI-gestützte Upscaler helfen.
Smartphone-Fotos im JPEG-Format haben oft absurd kleine Dateigrößen: Wer mit „echten“ Kameras fotografiert, weiß, dass selbst in der Auflösung vergleichbare Kompaktkameras von anno dazumal wie die seinerzeit hervorragende Fujifilm X20 JPEG-Fotos mit fünf bis sechs Megabyte ausspucken.
Aktuelle Smartphones liefern bei gleicher Auflösung deutlich kleinere Dateien. Kompression spart kostbaren Speicherplatz und Datenvolumen. Für die Nachbearbeitung bleibt da mangels Bildinformation aber nicht viel Spielraum. Übrigens: Auch bei RAW „tricksen“ die Smartphones. Wirklich pures RAW gibt es hier nämlich nicht, auf die 48-Megapixel-RAW-Bilder des iPhone 14 Pro wurden zum Beispiel schon Linsenkorrekturen angewendet.
Was ist nun die bessere Wahl? Smartphone oder Kamera?

Doch trotz aller nach wie vor bestehender Nachteile können aktuelle Smartphones in vielen Situationen die bessere Wahl sein: für jede Form von Schnappschuss und die Aufnahme von Social-Media-Inhalten sowieso, doch auch auf Reisen als Ultraleicht-Kamera oder für Straßenfotografie, wo es vor allem auf Motive und weniger auf die Bildqualität ankommt.
Richtig gut sind viele Smartphones durch ihre Nachtmodi auch bei Freihand-Aufnahmen bei sehr schlechtem Licht – sofern das Motiv und der Fotograf oder die Fotografin das Smartphone stillhalten. Natürlich liefern APS-C- und Vollformatkameras im Grunde immer die besseren Ergebnisse, sind also längst nicht obsolet.
Aber sie verlangen eben je nach Situation oft auch Einstellungen oder Zubehör wie Stative oder zusätzliche Objektive – diese Faktoren dürfen nicht unterschätzt werden. Dazu sind diese „echten“ Kameras im Vergleich zu Smartphones unhandlich – und bleiben daher in vielen Situationen zu Hause.
Genau dieser Immer-dabei-Faktor ist es aber, der die Smartphone-Fotografie auf die Höhen getrieben hat, auf denen sie sich inzwischen befindet. Sicher ist aber auch: Der Höhepunkt der Smartphone-Kamera-Entwicklung ist längst nicht erreicht. Doch wer auch im Detail schöne Fotos schießen will oder gar professionell arbeitet, sollte natürlich nach wie vor zu Kameratasche und der „echten“ Kamera greifen.

Gegenüber Digitalkameras haben Smartphones den Nachteil, dass Sie nur wenig Einstellmöglichkeiten zur Hand haben, um das Optimum aus dem Foto zu holen. Mit Zusatz-Apps löst sich dieser Nachteil auf: Mit Apps wie
- Halide,
- ProCamera oder
- Camera+ für das iPhone und ProCam X
- sowie OpenCamera
holen Sie das Maximum aus Ihren Smartphone-Kameras – selbst RAW ist damit zum Teil möglich.
DigitalPHOTO-Fazit
Hätten wir diesen Artikel noch vor drei oder vier Jahren geschrieben, wäre das Urteil deutlicher, heute muss festgestellt werden, dass Smartphones durchaus mit „echten“ Kameras mithalten können und gute Ergebnisse liefern – zumindest im Vergleich mit der Kompaktkamera-Klasse, die von den Smartphones komplett verdrängt wurde.
Wer Bilder mit Detailreichtum und weichem Bokeh in druckfähiger Auflösung braucht, sollte aber weiterhin zur „echten“ Kamera greifen.