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„Genau wie wir Menschen kann auch ein Auto seine Schokoladenseite haben. Diese zu finden, mag ich am meisten.“ – Profi-Autofotograf Oskar Bakke im Interview

Automarken wollen ihre Fahrzeuge großartig in Szene setzen. Hier treten Fotografen wie Oskar Bakke ans Werk. Er zählt zu den Besten seiner Zunft und weiß genau, was es braucht, um die teuren Boliden abzulichten. Wir haben uns mit dem Schweden über seine faszinierende Arbeit unterhalten.

Oskar Bakke im Interview

Auch in Zeiten computergenerierter Bilder braucht es Autofotografen, die wissen, in welchem Licht ein Fahrzeug am besten aussieht. Oskar Bakke ist einer von ihnen. Im DigitalPHOTO-Interview gibt uns der junge Schwede Einblick in seine kreative Arbeit. Hier spricht er von Schokoladenseiten, die auch Autos haben, und davon, dass klassische Fotos auch heutzutage nicht an Reiz verloren haben.

DigitalPHOTO: Erzählen Sie uns etwas über Ihre Laufbahn. Wie begann Ihre Fotokarriere und wann kam die Autofotografie hinzu?

Oskar Bakke: Ich bin in Schweden geboren und aufgewachsen, lebe aber seit 2019 in Los Angeles. Fotografiert habe ich schon zu Schulzeiten – mein erstes Zubehör war auch direkt ein Blitz, den ich ferngesteuert auslösen konnte. Irgendwann eignete ich mir Photoshop an, was meine Art zu arbeiten noch einmal enorm beeinflusst hat – Bilder und Bildelemente zusammenzufügen, mit dem Licht zu experimentieren – das hat mir Spaß gemacht.

Autos in Szene zu setzen, passte irgendwie genau zu dieser, meiner Art der Inszenierung. Schon in der Schule konnte ich damit ein bisschen Geld nebenher verdienen. Ich wollte mich da einfach ausprobieren, habe nach der Schule eine Auszeit genommen, um die Fotografie voranzutreiben – und diese Auszeit dauert nun schon mehr als 13 Jahre an.

Sie sind heute Profi-Autofotograf?

Ja, und ich genieße jeden Tag. Ich kann das tun, was ich mir am meisten Spaß macht.

Was fasziniert Sie an der Autofotografie?

Ich muss vier Jahre alt gewesen sein, als ich das erste Mal einen Lamborghini gesehen habe. Seitdem bin ich immer ein Autofan gewesen und Autos waren immer auch die ersten Motive, die ich aufnahm, sobald ich eine Kamera in die Hand nahm. Heute sind es vor allem auch die Menschen hinter den Kulissen, die mich inspirieren und von denen viele zu Freunden geworden sind.

Von wem bekommen Sie Ihre Aufträge?

Ich durfte bereits mit großen Automarken wie Porsche, Bentley, Koenigsegg und Mercedes-Benz zusammenarbeiten, aber auch H&M, Jaeger LeCoultre und Gymshark gehören zu meinem Kundenkreis. Es war und ist eine unglaubliche Reise.

Wie stellen Sie bei der Zusammenarbeit mit den Firmen sicher, dass Ihre Fotos mit deren Marken- und Marketingzielen übereinstimmen?

In der Regel ziehen sich die Planungen über Wochen oder sogar Monate hin, um sicherzustellen, dass alles vollständig mit den Kunden und meinem kreativen Ansatz übereinstimmt. Oftmals hat die Agentur eine ziemlich klare Idee, die ich umsetzen soll, aber am meisten Spaß macht es, wenn man sich in einem frühen Stadium einmischt, um eine Idee zu verwirklichen, die zur Marke passt, und sie sogar voranzutreiben.

Wie plant und organisiert man ein Auto-Fotoshooting?

Der Schlüssel ist ein gutes Team. Egal, ob Art Director oder Art Directorin, Model – und auch meine Assistentinnen und Assistenten können das Ergebnis wirklich zum Besseren verändern. Richtig herausfordernd ist es letztlich, die – wie ich es nenne – zwei Tonnen Spiegel zu fotografieren.

Was meinen Sie damit?

Letztlich reflektiert so ziemlich alles an einem Auto und das bringt ziemlich viele Herausforderungen mit sich. Aus diesem Grund sind Standort und Licht äußerst wichtig. Ich habe Hunderte von Stunden mit Google Street View verbracht und mein Lieblingstool zum Feststellen des Timings ist eine App namens Sun Surveyor.

In dieser App lassen sich die gesamte Sonneneinstrahlung und selbst die Einblendung der Smartphone-Kamera, Google Street View und Karten anzeigen. Es ist unglaublich spannend, ein Shooting zu planen und den besten Zeitpunkt zu finden, um diesen einen perfekten Lichtstrahl einzufangen.

Und wie lösen Sie die Probleme mit den Reflexionen fotografisch?

Auf der Oberfläche eines Autos spiegelt sich in der Regel alles in der Umgebung wider. Manchmal können solche Reflexionen sogar von Vorteil sein, aber oft auch von Nachteil. Mein Lieblingswerkzeug ist ein zirkularer Polarisationsfilter, um die Reflexionen besser kontrollieren zu können und die Farbe zum Strahlen zu bringen. Ein Muss für alle, die Autos fotografieren.

Im Design eines Autos stecken oft bestimmte Emotionen und Eigenschaften. Wie vermitteln Sie diese durch Ihre Fotos?

In gewisser Weise interpretiere und übersetze ich die gesamte Arbeit und die Entscheidungen, die in die Herstellung eines Autos eingeflossen sind. Das Ergebnis ist in meinem Fall ein Bild, das hoffentlich genau dieselbe Geschichte erzählt – und verstärkt. Wenn man, so wie ich, viel Zeit damit verbringt, ein Auto durch den Sucher und später in Photoshop zu betrachten, weiß man zu schätzen, wie viele Ideen in großartiges Autodesign gesteckt werden.

Lassen Sie uns über Ihre Art zu fotografieren sprechen – Stichwort: Komposition.

Im Allgemeinen geht es darum, den Blick beim Betrachten des Bildes zu führen, damit es sich ausgewogen und interessant anfühlt. Ich neige dazu, dem Autodesign immer Priorität einzuräumen – genau wie ein Mensch kann auch ein Auto seine Schokoladenseite haben. Diese zu finden und herauszuarbeiten, mag ich am meisten.

Neben der Wahl des Bildausschnitts ist das Licht wie bei allen Arten der Fotografie sehr wichtig. Licht formt das Auto und die Umgebung und erzählt eine Geschichte mit Schatten und Glanzlichtern.

Auf welche Dinge achten Sie bei der Wahl des Ortes, an dem Sie fotografieren?

Ich versuche immer, den Charakter eines Produkts zu begreifen und stelle sicher, dass der Ort zum Produkt passt.

Gibt es bestimmte Techniken, mit denen Sie die dynamischen Aspekte eines Autos, wie Geschwindigkeit und Bewegung, erfassen?

Sagen wir es so: Autos sind dafür gemacht, sich zu bewegen – also spielen dynamische Bewegungsaufnahmen natürlich eine wichtige Rolle. Es gibt verschiedene Techniken, die das visuell möglich machen. Die gängigste ist, dass sich die Kamera mit der gleichen Geschwindigkeit wie das Objekt bewegt.

Dabei verwendet man eine längere Verschlusszeit. Das macht das Auto scharf und verleiht dem Hintergrund Bewegungsunschärfe, um ein Gefühl von Geschwindigkeit zu vermitteln. Um diese Art von Bildern zu erzielen, kann man schwenken, von einem anderen Fahrzeug aus fotografieren oder sogar große Carbonstangen am Auto anbringen, das man fotografiert.

Heutzutage gibt es sogar einige ziemlich gute Nachbearbeitungswerkzeuge, um den Effekt in der Postbearbeitung zu erzielen. Ich würde sagen, dass meine Arbeit von allem etwas bietet. Alles hängt vom Budget, der Zeit und dem Ort ab.

Zunehmend wird CGI (computergenerierte Bildeffekte) in der Automobilwerbung und -fotografie eingesetzt. Welchen Einfluss hat CGI inzwischen in der Autofotografie?

Ich verwende CGI für viele Projekte, bei denen das Auto einem Embargo unterliegt, es also noch nicht offiziell vorgestellt wurde. Dann fotografieren wir ein Ersatzfahrzeug mit ähnlicher Form, rendern aber darüber ein neues Modell. Ich bin der Meinung, dass das Fotografieren eines echten Autos immer noch realistischer wirkt. Das kann CGI nur schwer imitieren.

Wo liegen dann Ihrer Meinung nach grundsätzlich die größten Vorteile von CGI gegenüber der Fotografie?

Ich würde sagen, dass man wirklich die verrücktesten Ideen ohne aufwendigen Requisitenbau, Studios und so weiter entwickeln kann. Das Modellieren und Rendern wird natürlich eine Menge Stunden kosten, aber wie soll man sonst eine gute Aufnahme eines 1936er Alfa Romeos bekommen, der auf einer Regenbogenstraße fährt, verfolgt von einem T-Rex auf einem fliegenden Teppich?

Besteht Ihrer Meinung nach die Gefahr, dass CGI die traditionelle Autofotografie ersetzen wird, oder sehen Sie darin eher ein ergänzendes Werkzeug?

Mir wurde vor zehn Jahren gesagt, dass es große, kommerzielle Aufträge wegen CGI nicht mehr geben wird. Aber gute CGI ist immer noch sehr teuer und herausfordernd. Vielleicht wird KI den Prozess verändern – doch letztlich muss es jemanden geben, der kreativ leitet, was gut aussieht. Wir werden sehen, was die Zukunft bringt.

Oskar Bakke

Der Schwede Oskar Bakke ist einer der besten Automobil-Fotografen weltweit. Er arbeitet für Top-Marken wie Porsche, Bentley und Mercedes-Benz. Dabei erstellt der zwischen seiner Heimatstadt Stockholm und seiner Wahlheimat Los Angeles pendelnde Bakke auch Lifestyle- und Action-Aufnahmen für Mode- und Schmuckhersteller.

Seinen Arbeiten sieht man die Leidenschaft für Autos, Sport und Lifestyle an – schon als Kind interessierte sich Bakke für Autos und fotografiert sie bis heute in atemberaubenden Inszenierungen.

www.oskarbakke.com | Instagram: @oskarbakke

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