Aus einem Hobby ist wahre Leidenschaft geworden, in die Karin Kasten regelmäßig ihren Jahresurlaub investiert. Die norddeutsche Fotografin hat sich auf Wildtiere spezialisiert, die sie in ihrer mecklenburgischen Heimat findet.

Fotografin Karin Kasten im Interview
Die meisten Motive kann Fotografin Karin Kasten mit dem Fahrrad erreichen: Damhirsche, Wildschweine und Co. findet sie mehr oder weniger vor der eigenen Haustür. In unserem Interview teilt sie mit uns ihre Faszination für wilde Tiere – und gibt einen Einblick in ihre Fototasche.
DigitalPHOTO: Wie sind Sie zur Tierfotografie gekommen? Gab es ein besonderes Ereignis?
Karin Kasten: Das gab es in der Tat. Ich erinnere mich an einen Spaziergang mit meinem Hund, als zwei Eisvögel an uns vorbeiflogen. Ich war baff und erfreut zugleich, den Vogel, den man doch so selten zu Gesicht bekommt, dort angetroffen zu haben. Von dem Tag an war für mich klar: Ich möchte diesen wunderschönen blauen Diamanten auf einem Foto festhalten.
Hatten Sie damals schon Fotoerfahrung?

Ja, ich hatte damals schon seit zehn Jahren fotografiert – vom Sandkorn bis zum Sonnenuntergang. Die Begegnung mit den Eisvögeln hat aber meinen Fokus geschärft. Ich habe mich direkt über Lebensraum und Verhalten des Vogels informiert und versucht, ihn vor die Linse zu bekommen.
Und? Ist es Ihnen gelungen?
Mir war klar, dass ich mich gut verstecken muss, um nah an das Tier heranzukommen. Also legte ich mir einen Tarnanzug und ein Tarnnetz zu. Nachdem ich eine gute Stelle für einen Ansitzplatz gefunden hatte, baute ich aus dem Tarnnetz ein kleines Versteck. Es dauerte gut eine Stunde, dann war es so weit: Ich konnte Bilder von diesem bezaubernden Vogel machen.
Wo finden Sie Ihre Motive in der Regel?

Die mecklenburgische Seenplatte beherbergt viele Tierarten. Ich bin sehr heimatverbunden und im Moment fotografiere ich ausschließlich in meiner näheren Umgebung. Ich habe das Glück, ländlich zu wohnen und somit meist kurze Wege zu meinen Fotoplätzen zu haben, die ich manchmal sogar mit dem Fahrrad erreichen kann.
Mit welchem Equipment arbeiten Sie?
Die meisten meiner Aufnahmen sind mit der Nikon D7200 entstanden. Da es aber ein Nachteil bei der Tierfotografie ist, wenn der Spiegel wieder herunterklappt und somit ein Geräusch verursacht, habe ich mir im letzten Jahr die spiegellose Z 6 II von Nikon zugelegt. Als Objektiv kommt bei mir ausschließlich das SP 150–600mm F/5– 6.3 Di VC USD G2 von Tamron zum Einsatz.
Mein Stativ ist das Lion Rock 20 Mark II aus Carbon. Es ist leicht und gleichzeitig sehr stabil. Als Tarnung nutze ich verschiedene Tarnanzüge und Tarnnetze , die sich in der Farbe unterscheiden, sodass ich für jede Jahreszeit das Passende nutzen kann. Nur im Winter muss ich manchmal improvisieren. Da mussten auch schon mal ein weißes Spannbettlaken und ein Maleroverall aushelfen.
Gibt es einen „ungewöhnlichen“ Gegenstand in Ihrer Fototasche?

Ja, den gibt es. Der Wind spielt eine große Rolle, ob ich mit oder ohne Foto nach Hause fahre. Das Haarwild hat einen ausgeprägten Geruchssinn. Sie können uns Zweibeiner in über 400 Meter Entfernung noch wittern. Daher habe ich mir ein Seifenblasenfläschchen zugelegt und kann damit jederzeit einfach die Windrichtung prüfen.
Welche Tiere fotografieren Sie am liebsten?
Ich bin über jedes Tier erfreut, das ich in seiner natürlichen Umgebung erleben und fotografieren darf. Ein magischer Moment ist es immer wieder, wenn ich den König des Waldes, den Rothirsch, beobachten kann. Seine Größe und sein majestätisches Geweih lassen meinen Puls hoch schlagen.
Wie viel Zeit investieren Sie in die Fotografie?
Auf alle Fälle einen Großteil meiner Freizeit. Oft fahre ich direkt nach meiner Arbeit in den Wald. Zur Rotwildbrunft plane ich zwei bis drei Wochen Urlaub ein. Die Ansitzzeiten sind in der Regel zwischen zwei und vier Stunden. Es kam auch schon mal vor, dass ich eingeschlafen bin, da ich manchmal auch im Liegen fotografiere.
Apropos: Wie vertreiben Sie sich bei diesem teils stundenlangen Warten die Zeit?
Da ich die Ruhe und Stille in der Natur genieße, ist das Warten keine Last, sondern ein schönes Mittel zum Zweck. Auch wenn nach längerem Warten sich das gewünschte Tier nicht zeigt, passieren oft viele andere überraschende Momente um mich herum: Ein Eichhörnchen springt von Ast zu Ast, viele Vögel ziehen an mir vorbei oder landen gar direkt über mir im Baum. Oder ich schaue einfach den Käfern zu, die über meine Fotoausrüstung krabbeln.
1. Achten Sie auf den Lebensraum der Tiere und fotografieren Sie nicht um jeden Preis. Die Tiere haben immer Vorrang.
2. Nehmen Sie sich Zeit und beschäftigen Sie sich mit dem Wildtiergebiet, in dem Sie fotografieren möchten. Eine ausgiebige Recherche ist immer vorteilhaft.
3. Tarnzelt, Tarnjacke und Co. sind nützlich, um sich für die Tiere unsichtbar zu machen. Steht der Wind ungünstig, können die Tiere Sie trotzdem riechen. Achten Sie daher auch ganz bewusst auf die Windrichtung.
4. Die meisten Wildtiergebiete sind auch Jagdgebiete. Ein Gespräch über Ihre fotografischen Vorhaben mit den zuständigen Personen bietet sich immer an – auch, wenn nicht immer eine Erlaubnis vonnöten ist.
5. Letzter Tipp: Ohne Teleobjektiv werden Sie in der Wildtierfotografie wenig Freude haben.
Gehen Sie eher allein auf Fototour?
Auf meinen Fototouren bin ich fast immer allein unterwegs. Es kam auch schon vor, dass ich mit einem Bekannten, mit dem ich die Leidenschaft der Naturfotografie teile, unterwegs war. Der Vorteil, wenn ich alleine unterwegs bin, ist, dass ich einfach fokussierter bin und mich durch Gespräche nicht ablenken lasse. Zu zweit bringt man mehr Unruhe in den Wald, die Chance auf eine Sichtung und darauf, am Ende auch eine schöne Aufnahme mit nach Hause zu nehmen, ist allein größer.
Wo liegen grundsätzlich die größten Herausforderungen in der Tierfotografie?

Die größte Herausforderung liegt meiner Meinung nach darin, sich unbemerkt im Gelände zu bewegen. Das Wild reagiert sehr empfindlich auf Störungen durch den Menschen. Daher ist mir eines ganz wichtig: Kein Foto um jeden Preis! Die Tiere sollten bei ihrer natürlichen Lebensweise nicht gestört oder beeinflusst werden.
Inwieweit achten Sie auf die Bildkomposition und die Harmonie der Farben?
Als ich mit der Tierfotografie begonnen habe, achtete ich kaum auf den Bildaufbau oder den Ausdruck meiner Aufnahmen – da war ich schon froh, wenn ich überhaupt etwas festhalten konnte. Mittlerweile lege ich allerdings sehr viel Wert auf warmes Licht und darauf, dass ich das Tier in seinem Habitat ablichten kann.
Daher ist es für mich morgens zum Sonnenaufgang am schönsten, draußen zu sein und Bilder zu erstellen. Die goldene Stimmung, der Nebel, der sich manchmal auf die freien Flächen legt, gibt den Aufnahmen das gewisse Etwas. Grundsätzlich ist meine liebste Jahreszeit zum Fotografieren der Spätsommer oder Frühherbst.
Sie fotografieren in der Regel heimische Tierarten – können Sie sich auch vorstellen, in anderen Ländern zu fotografieren?

Vorstellen kann ich mir das auf jeden Fall. Aber im Moment habe ich noch viele Wunschmotive, die ich in meiner Heimat umsetzen möchte. Wie zum Beispiel die Paarung der Füchse in winterlicher Umgebung. Wenn ich mir eine Reise wünschen könnte, wäre es in die Arktis nach Spitzbergen, um den größten Bären, den Eisbären, zu fotografieren. Mich faszinieren die eisige Landschaft und das raue Klima, in dem die weißen Riesen leben.
Bearbeiten Sie Ihre Bilder nach?
Die Bildbearbeitung gibt den entscheidenden Schliff. Beim Bearbeiten der Bilder versuche ich, es nicht zu übertreiben. In der Natur- und Tierfotografie ist es wichtig, die Natürlichkeit zu bewahren. Trotzdem versuche ich, das Beste aus dem Bild rauszuholen. Ich mag es, wenn die Farben etwas intensiver sind. Daher optimiere ich gern den Kontrast und die Sättigung. Kleine Schönheitsfehler wie Sensorflecken werden entfernt. Zum Bearbeiten nutze ich Lightroom und Photoshop.
Zum Schluss noch die Frage: Welche Fototouren haben Sie in nächster Zukunft geplant?

Da der Winter sich nun langsam dem Ende neigt und bald die Brut- und Setzzeit beginnt, steht bei mir auf dem Plan, einen passenden Fuchsbau ausfindig zu machen und gegebenenfalls die jungen Füchse beim Aufwachsen fotografisch zu begleiten. Einer meiner großen Wünsche ist letztes Jahr in Erfüllung gegangen:
Ich durfte das erste Mal den Wolf in freier Wildbahn erleben. Das war wohl der aufregendste Augenblick, den ich in der Natur erlebt habe. Es waren aber noch einige Meter zwischen uns. Jetzt hoffe ich, dass ich in diesem Jahr Isegrim noch etwas näher kommen kann und vielleicht mit einem qualitativ hochwertigeren Bild nach Hause fahren kann.

Karin Kasten (40) lebt in Mecklenburg-Vorpommen an der mecklenburgischen Seenplatte und unweit des Müritz-Nationalparks. In dieser landschaftlich attraktiven Gegend entstehen viele ihrer Tieraufnahmen. Die 40-Jährige beschäftigt sich seit 2009 mit der Fotografie, widmet sich aber erst seit 2019 intensiv der Wildtierfotografie.
Ihre Bilder wurden bereits mehrfach in Magazinen gezeigt. Sie war Finalistin beim Wettbewerb „Nature Photographer of the Year“ – und auch im DigitalPHOTO-Magazin ist Karin Kasten keine Unbekannte. Im letzten Jahr wurde eine ihrer Wildtier-Aufnahmen zu den besten zwölf Bildern des Jahres gewählt und im Rahmen der Berlin Photo Week ausgestellt. Ihre Aufnahmen teilt sie regelmäßig auf ihrem Instagram- Kanal – zu finden unter:
Instagram @kris_augenblick