Annika Feuss weiß, wie man Gebäude in Szene setzen muss, damit sie ihre volle Wirkung erzielen. Daher arbeiten Architekturbüros extra mit ihr zusammen. Die Kölnerin findet für jedes Haus dessen Schokoladenseite. Im Interview erklärt sie, auf was sie beim Fotografieren achtet, welche Technik sie nutzt und welches Licht sie bevorzugt.
Annika Feuss im Interview
Wo manche nur grauen Beton sehen, entdeckt Annika Feuss klare Linien und spannende Perspektiven. Als Architekturfotografin ist die Kölnerin immer dann gefragt, wenn ein Bauwerk perfekt abgelichtet werden soll. Schließlich wollen Architektinnen und Architekten ihre Arbeit bestmöglich festgehalten wissen, egal, ob Innen- oder Außenansichten. Wie ihr das gelingt, haben wir sie gefragt.
DigitalPHOTO: Frau Feuss, die meisten von uns werden schon einmal unsere eigenen vier Wände fotografiert haben. In der Regel sehen die Bilder nicht so schön aus wie Ihre. Wie entstehen stilvolle Architekturfotos?
Annika Feuss: Das muss man differenziert betrachten. Zum einen sind Räume oft relativ klein und selbst wenn man mit einem Weitwinkel fotografiert, ist es oft schwierig, eine gute Brennweite in Kombination mit einem interessanten Bildaufbau zu finden. Darüber hinaus gibt es meist hohe Kontraste und unterschiedliche Farbtemperaturen.
Draußen ist es viel heller als innen, heißt: Entweder sieht man, was draußen passiert, aber der Innenraum ist zu dunkel, oder aber der Innenraum ist richtig belichtet und draußen frisst das Licht aus. Auch wenn sich Kunst- und Tageslicht mischen, entstehen unschöne Farbstiche.
Das heißt: Worauf achten Sie besonders?
Grundsätzlich ist die Höhe der Kamera recht entscheidend. Vor allem bei geringer Raumhöhe. Dann sollte die Kamera ein ganzes Stück unter Augenhöhe positioniert sein. Wichtig ist, dass die Kamera möglichst nicht nach oben oder unten gekippt wird, um stürzende Linien zu vermeiden. Auch erhält man durch das Einstellen von Symmetrien oder Bildaufteilungen im Goldenen Schnitt bessere Ergebnisse.
Welche Kameratechnik nutzen Sie?
Ich arbeite mit der Sony Alpha 7R III und hauptsächlich mit Tilt-Shift-Objektiven von Canon mit Brennweiten von 17 bis 50 mm. Diese Spezialobjektive sind für die Architekturfotografie unerlässlich, um stürzende Linien zu vermeiden. (Tilt-Shift-Objektive erlauben das Verschieben bzw. das Verschwenken bestimmter Bauteile am Objektiv, Anm. der Red.)
Sie fotografieren sowohl Außen- als auch Innenansichten. Wo liegen Ihrer Meinung nach die jeweiligen Herausforderungen?
Tatsächlich tendiere ich etwas mehr zu Innenansichten, aber die Abwechslung macht es aus. Innenaufnahmen von möblierten Gebäuden benötigen viel mehr Zeit als Außenaufnahmen, da kann es schon mal eine halbe Stunde dauern, bis man ein Bild gemacht hat. Die größte Herausforderung für Außenaufnahmen ist das Licht, das Wetter generell und, wie die Sonne auf dem Gebäude steht.
Da schließt sich die Frage an, welche Lichtbedingungen für Ihre Arbeit am besten sind?
Für Innenräume ist mir eine leichte Bewölkung am liebsten, um keine Sonnenflecken im Raum zu haben. Tief stehende Sonne kann auch reizvoll sein. Grundsätzlich versuche ich innen sowie außen eher Gegenlicht zu vermeiden.
Für Außenaufnahmen präferiere ich Morgen- und Abendlicht, darüber hinaus wirken die meisten Häuser tatsächlich bei Sonnenschein besser. Manchmal kann aber auch ein grauer Himmel etwas Ruhe ins Bild bringen.
Passiert es, dass Sie wegen schlechten Wetters ein Shooting absagen müssen?
Dass aufgrund der Wetterlage Termine verschoben werden, ist ganz normal und der Alltag von Architekturfotografinnen und -fotografen. Es kommt auch immer wieder vor, dass Baustellen doch nicht fertig werden und man Shootings immer weiter nach hinten schieben muss.
Woher erhalten Sie eigentlich Ihre Aufträge?
Ich fotografiere vor allem für Architekturbüros oder Unternehmen, die im weitesten Sinne mit Gebäuden und Räumen arbeiten. Meine Aufträge erhalte ich über Empfehlungen, meine Website und Instagram.
Fotografieren Sie auch eigene Projekte?
Freie Arbeiten habe ich ganz lange nicht gemacht, aber in den letzten drei Jahren dank lieber Kolleginnen und Kollegen vom Bundesverband Architekturfotografie finde ich wieder Zeit dafür – und so sind in der jüngeren Vergangenheit beispielsweise zwei Ausstellungen entstanden.
Wie kann man sich konkret die Zusammenarbeit mit Architektinnen und Architekten vorstellen? Wie ergänzen Sie sich?
Für mich ist es natürlich wichtig, zu wissen, welche Ansichten der Gebäude relevant sind. Allerdings habe ich im Laufe der Zeit die Erfahrung gemacht, dass es auch für die Architekturbüros gut und überraschend sein kann, wenn ich Perspektiven finde, die sie mitunter nicht im Blick hatten. Letztlich arbeiten sie ja über Jahre an solchen Gebäuden und da ist es manchmal schwer, aus den gewohnten Blickmustern rauszukommen.
Wie würden Sie Ihren fotografischen Stil beschreiben? Was macht Sie aus?
Ich sehe meinen Stil als relativ klar und grafisch. Spannung versuche ich in Bildserien durch eine Kombination von Übersichten und Details zu erzeugen.
Verraten Sie uns ein oder mehrere Hilfsmittel, die Sie häufig im Einsatz haben und die Ihnen bei der Bilderstellung helfen?
Ich fotografiere grundsätzlich auf Laptop oder iPad, weil ich vor allem bei der Interiorfotografie die Details erst auf einem größeren Bildschirm sehen kann. Darüber hinaus habe ich immer eine kleine Leiter im Auto, weil vor allem bei Außenaufnahmen meine Körpergröße für die richtige Perspektive oft nicht reicht.
Welche Tipps geben Sie Leuten, die in die Architekturfotografie einsteigen möchten?
Architektur findet man ja an jeder Ecke. Wer also die technischen Basics einigermaßen beherrscht, kann losgehen und fotografieren – beispielsweise dasselbe Gebäude zu unterschiedlichen Tageszeiten – und schauen, wie sich das Licht und damit auch das Bild verändert, oder ausprobieren, wie unterschiedlich sich Brennweiten und Entfernungen zum Gebäude oder auch die Höhe der Kamera auf das Bild auswirken. Wichtig ist meiner Meinung nach, von Anfang an mit Stativ zu arbeiten, um mehr Kontrolle über die Bilder zu bekommen.
Kurz noch zur Bildbearbeitung: Welche Rolle spielt die in Ihrem kreativen Prozess?
Ich würde sagen, die liegt bei fast 50 Prozent – vor allem bei der Interiorfotografie. Erst in der Bildbearbeitung kann ich das Problem der hohen Kontraste und der möglichen Farbstiche in den Griff bekommen. Daher hat die Bearbeitung schon einen hohen Stellenwert in meiner Arbeit.
Sie sind seit vielen Jahren in der Architekturfotografie unterwegs – wie hat sich das Genre im Laufe Ihrer Karriere entwickelt? Gibt es neue Trends oder Techniken?
Seit einigen Jahren werden in der Architekturfotografie häufig Drohnen einsetzt, weshalb ich vor ein paar Jahren den Drohnenführerschein gemacht habe und auch ab zu meine eigene einsetze.
Darüber hinaus mache ich seit ein paar Jahren gemeinsam mit meinem Kollegen Lennart Wiedemuth aus Mainz ergänzend zur Fotografie kurze Architekturfilme, da auch dieses Medium immer gefragter wird in der Kommunikation von Architektur.
Bereits während ihres Fotografie-Studiums an der FH Dortmund spezialisierte sich Annika Feuss (38) auf Architekturfotografie. Sie absolvierte eine einjährige Assistenz bei Ralph Richter in Düsseldorf und ist seit 2011 freie Fotografin für Architektur, Interieur und Museales. Seit 2019 ist sie Mitglied im Bundesverband Architekturfotografie und seit 2022 Vorstandsmitglied.
www.annikafeuss.com | www.wiedemuthfeuss.com | Instagram: @feussfotografie