Jens Koch ist einer der ganz großen deutschen Starfotografen. Vor seine Kamera treten internationale Prominente: Musikerinnen, Schauspieler, Größen aus der Politik. Die meisten haben kaum Zeit, wollen aber im besten Licht erscheinen. Ein Balanceakt, den Koch seit Jahren meistert.
Jens Koch hatte schon so einige Prominente vor der Kamera, von Robert De Niro über Hillary Clinton bis hin zum Dalai Lama. Meist bleiben dem gebürtigen Leipziger, der heute in Berlin lebt und arbeitet, nur wenige Minuten für seine Shootings. Mehr Zeit erlauben die vollen Terminkalender der Stars nicht. Dass er in dieser Kürze trotzdem tolle Momente festhalten kann, ist eine bemerkenswerte Gabe – und einer der Gründe, ihn zu seiner Arbeit zu befragen.
Fotograf Jens Koch im Interview
DigitalPHOTO: Herr Koch, Sie haben uns gebeten, Ihnen keine Standardfragen zu stellen. Was ist denn eine Standardfrage?
Jens Koch: (Lacht) Es gibt ein paar Standardfragen an Fotografen, die etwas ermüdend sind. Ich mag einfach individuelle Fragen, die über einen Smalltalk hinausgehen und die die Leserschaft vielleicht auch bereichert. Womöglich bin ich auch Fotograf, um mich hinter der Kamera zu verstecken und mehr zu dokumentieren, als über mich zu erzählen. Wobei die Kamera ja eigentlich ein großartiges Kommunikationsinstrument sein kann.
Kann es sein, dass Sie – wenn möglich – eigentlich gar nicht über Ihre Fotografie sprechen würden, sondern zum Beispiel viel lieber über Ihren Musikgeschmack oder über Dinge, die Sie gerade inspirieren?
Das ist tatsächlich so. Es klingt vielleicht etwas abgenutzt, aber die Fotografie spricht im besten Fall für sich selbst, ohne dass man sie erklären muss. Es geht ja um Emotionen, die geweckt werden sollen. Sonst wäre ich wohl Autor oder Speaker geworden. Musik ist ganz toll zu hören. Weil es hier auch um Emotionen und Verarbeitung von den Selbigen geht.
Musik ist für mich nicht direkt inspirierend, aber dennoch sehr wichtig, um Gemütszustände zu lenken oder zu unterstützen. Auch beim Fotografieren finde ich Musik sehr wichtig, sie bringt Menschen zusammen und hilft, bei einem kurzen Fototermin, Kommunikationspausen ohne Unbehagen zu überbrücken. Ich persönlich bevorzuge im Übrigen Rock- beziehungsweise Metal-Musik.
Sie haben auch einmal gesagt, dass die Kamera das unwichtigste beim Fotografieren ist. Wie meinen Sie das?
Als technisches Gerät ist die Kamera natürlich nicht wegzudenken. Das ist viel mehr darauf bezogen, dass nicht die Kamera, sondern der Fotograf das Foto macht. Man kann nur das abbilden, was vom Fotografen vor der Kamera ausgelöst wird. Zumindest in der Porträtfotografie. Es geht vielmehr um Kommunikation als um die Technik.
Darum kannst du auch mit einer Handykamera im Zweifel ein besseres Foto machen als mit der teuersten Technik, die dich vielleicht auch noch an der Kommunikation mit der Person vor der Kamera hindert. Wenn ich nur vier Minuten für das Porträt einer Person zur Verfügung habe, kann es durchaus sinnvoll sein, die ersten dreieinhalb Minuten zusammen zu verbringen, ohne ein Foto zu machen.
Sie sagen es, Ihnen bleibt oft wenig Zeit. Wie schaffen Sie es, trotzdem abzuliefern?
Die Person in die richtige Stimmung beziehungsweise das richtige Licht zu rücken, ist immer typabhängig. Es geht ja darum, ihr oder ihm nahezukommen und aber auch möglichst genau die Grenze zu respektieren. Wenn du das gut beherrschst, respektiert das die Person und ist eventuell bereit, über die Standardfotos hinauszugehen.
Und trotzdem muss es schnell gehen.
Die Aufmerksamkeitsspanne ist bei Hochprominenten tatsächlich nicht sehr lang – meine inzwischen witzigerweise aber auch nicht mehr. Ich weiß auch gar nicht, was ich nach fünf Minuten in einem Raum noch fotografieren soll. Wenn man in dieser Zeit kein gutes Foto bekommen hat, ist der Zug sowieso abgefahren.#
Spielt Humor eine Rolle in Ihren Arbeiten?
Freude ist wohl unbestritten die schönste und gesündeste Emotion. Auch wenn es nur ein kleines Schmunzeln ist, das ich beim Betrachter auslöse. Mein Anspruch ist es, zu unterhalten. Wobei man dazu sagen muss, dass nicht alle Lust auf Spaß vor der Kamera haben, entweder weil die Person gerade keinen Spaß haben mag oder ein bestimmtes Image transportieren will.
- Bei prominenten Persönlichkeiten ist in der Regel Eile geboten. Die wenigsten haben mehr Zeit als fünf bis zehn Minuten. Daher sollte das Licht-Set-up schon vorab stehen …
- … und spontane Lichtumbauten in Hochgeschwindigkeit passieren.
- Fotograf Jens Koch informiert sich im Vorfeld ausgiebig über die Personen vor seiner Kamera. So kann er sich mit ihnen über Themen unterhalten, die über einen beliebigen Smalltalk hinausgehen.
- Musik kann helfen, die Atmosphäre aufzulockern, sollte aber nicht dominant den Raum beschallen – es sei denn, die Porträtierten mögen die Laufstärke und können dabei abschalten.
- Kommunikation ist das A und O. Sprechen Sie mit den Personen, erklären Sie, was Sie vorhaben und zeigen Sie die Resultate.
Haben Sie immer eine klare Vorstellung, einen Plan für jedes Foto-Shooting?
Ich plane eher weniger konkrete Lichtsituationen, einfach weil sich in der Situation Dinge schnell verändern. Auch Motive ergeben sich oftmals erst in der Arbeit mit der Person. Daher: Immer schön flexibel bleiben. Meine Assistenten bringe ich manchmal zum Verzweifeln, wenn ich kurz vor einem Fototermin noch einmal alles komplett umwerfe oder auch während des Fotografierens merke, dass etwas nicht meinen Vorstellungen entspricht und geändert werden sollte.
Es steht und fällt mit der Person, die vor der Kamera steht. Man kann mit einem schlechten Licht aus einer interessanten Person viel Gutes herausholen. Mit einem tollen Licht aus jemanden, der keine Lust hat, eher weniger. Oft liegt es aber auch daran, dass ich nicht weiß, was die Person für Kleidung trägt. Auch da ist von mir Anpassungsfähigkeit gefragt.
Mit welchen Lichtquellen arbeiten Sie?
Das ist situationsbedingt. Ich erinnere mich daran, dass ich Anfang der Zweitausender viel mit Ringblitzen fotografiert habe. Heute für mich völlig undenkbar. Mittlerweile benutze ich überwiegend große Lichtformer wie eine Oktabox und blitze einfach indirekt in den Raum.
Künstliches Licht ist für mich das meist genutzte Licht, da ich meine Fotografie oftmals drinnen ausübe. Auch finde ich, dass ich damit schönere, schärfere fokussierte Emotionen dokumentieren kann. Vielleicht ist das Arbeiten so auch etwas bequem, aber es ist auf alle Fälle berechenbarer.
Das wäre die nächste Frage gewesen: Wie sieht es mit der Kleidung, dem Make-up und dergleichen aus – inwieweit ist das planbar?
Bei meinen sogenannten Starporträts ist es tatsächlich so, dass ich noch nicht einmal weiß, was die Person anhaben wird. Diese Herausforderung habe ich gerade in dem Fotostudio bei den alljährlichen Filmfestspielen in Berlin, der Berlinale. Dort werden alle anwesenden Schauspieler und Regisseure im Akkord porträtiert.
Das ist genau mein Ding, weil es so spannend ist. Aber auch bei planbaren Motiven halte ich mich gerne aus der Kleiderfrage raus. Dafür gibt es Stylisten. Ich interessiere mich einfach nicht so sehr für Kleidung.
Wie erzeugen Sie eine gute Atmosphäre?
Ich versuche, mich im Vorfeld möglichst ausgiebig mit der Person zu beschäftigen. Indem sie das merkt, ist ein Anfang gemacht. Hochprominente Leute wollen wie normale Menschen behandelt werden, ohne den alltäglichen Smalltalk führen zu müssen. Musik kann auch ein wichtiges Überraschungsmoment sein.
Es ist immer wieder erstaunlich zu beobachten, wie Musik Verbindungen schaffen kann. Auch versuche ich, am Anfang schon klar zu machen, dass ich sehr schnell arbeite und nicht deren Zeit verschwenden möchte. Das wissen die meisten zu schätzen und gehen dann auch motivierter durch.
War Fotograf immer Ihr Traumberuf?
Das wurde es, als ich eine Ausbildung in der Hotellerie anfing. Ich habe nebenbei bei einer Tageszeitung Reportagen fotografiert und merkte recht bald, dass ich nichts anderes mehr machen wollte.
Ich versuche, mich im Vorfeld möglichst ausgiebig mit der Person zu beschäftigen. Indem sie das merkt, ist ein Anfang gemacht.
- Jens Koch
Ab wann haben Sie Prominente fotografiert?
Der Blick auf Starporträts war schon immer da. Womöglich durch die Entertainment- Magazine, die mich in den Neunzigerjahren geprägt haben. Erste prominente Persönlichkeiten bekam ich im Rahmen von Interviews, die ich für die Tageszeitungen fotografierte. Eigentlich wurde ich da nur gebucht, um den Interviewer und die prominente Person zusammen abzulichten.
Ich wollte aber immer noch ein persönliches Porträt für mich haben, so wie ich es aus den Magazinen kannte. Das ging auch meist in Ordnung und wurde später von Magazinen oder sogar der porträtierten Person selbst gewürdigt. So entstanden dann weiterführende Zusammenarbeiten, wie mit einem Musiker oder ich machte die Pressefotos für einen Schauspieler.
Heißt das aber auch, dass Sie keine klassische Fotoausbildung genossen haben, sondern mehr oder weniger Autodidakt sind?
Einer der Tipps, die ich geben kann, ist, dass man keine Zeit in fotografische Theorie verschwenden sollte. Ich glaube auch, dass man Fotografie, zumindest im Porträtbereich, nicht lernen kann. Ich spreche da natürlich nur für mich persönlich. Entweder fühlt man es oder eben nicht.
Vielleicht hätte ich etwas Zeit sparen können, indem ich die Technik gelernt hätte, soweit ich aber weiß, ist das auch nicht der Teil einer Fotografieausbildung heute. Außerdem hat sich das inzwischen geändert – jeder kann mit einfachsten Mitteln Fotograf sein.
Kommen wir zum Schluss noch zum viel diskutierten Thema der Nachbearbeitung: Wie sieht es da bei Ihnen aus? Welchen Stellenwert nimmt die Bearbeitung bei Ihnen ein?
Generell bin ich kein großer Freund von übermäßiger Retusche. Es sollte so natürlich wie möglich bleiben. Komplexe Composings lasse ich von Carina und Philipp von silver-grapes.com in Berlin erstellen. Dafür habe ich absolut keine Muße. Lange habe ich am Set fotografiert, ohne die Bilder direkt auf dem Computer mit entsprechendem Look zu präsentieren. Ich tat mich echt schwer, meinen Workflow zu ändern.
Früher habe ich mein Licht ohne digitalen Einfluss gesetzt. Heute leuchte ich aus und kann am Rechner direkt sehen, wie das Bild mit seinen Farben und Kontrasten entsteht. Dieser Arbeitsablauf war für mich ungemein hilfreich. Auf jeden Fall ist es aber eine Herausforderung, sich immer wieder selbst überraschen zu können. Das sollte immer der eigene Anspruch sein.
Wie gelingt Ihnen das?
Man sollte sich immer bewusst machen, dass man nur so gut ist wie das letzte Foto, das man gemacht hat. Nur so kann man sich weiterentwickeln und am Zeitgeist bleiben, ohne als Fotograf irgendwann hinten runterzufallen.
Was waren Ihre bislang schönsten, inspirierendsten Aufträge und warum?
Das ist wirklich schwer zu sagen. In meinem Fall sind das sicher in erster Linie Aufträge mit Persönlichkeiten, die ich selbst sehr schätze, wie der Schauspieler Robert De Niro oder die Band Rammstein. Ich finde es einfach immer am inspirierendsten, mit Menschen zu arbeiten, deren Filme ich liebe oder deren Musik mich privat bereichert.
Ich kann wahrscheinlich auch das Beste aus mir herausholen, wenn ich einen persönlichen Bezug, ja bestenfalls Bewunderung für die Person hege. Und da die Musik von Rammstein mich mein Leben lang geprägt hat, ist es natürlich das Schönste, sich darüber Gedanken zu machen, wie ich sie inszenieren würde und das dann auch tatsächlich noch umsetzen darf.
Das beflügelt mich. Den Schauspieler Bryan Cranston für ein Fünf-Minuten-Termin in L. A. zu treffen, nachdem ich gerade die Serie „Breaking Bad“ zu Ende geschaut hatte, ist auch sehr bereichernd.
Geboren 1981 in Leipzig, begann Jens Koch eine Ausbildung in der Hotellerie, eher er erst nebenbei, dann regelmäßig in Köln für eine Tageszeitung fotografierte. Hierüber entstanden erste Fotoaufträge mit Schauspieler*innen und Musiker*innen. Mittlerweile hat er sich vor allem als Starfotograf einen Namen gemacht und in den letzten Jahren internationale Größen wie Robert De Niro, Kevin Costner, Johnny Depp, Rammstein, Lady Gaga und viele mehr vor seiner Kamera gehabt. Künstlerisch beeinflusst wurde Koch von den Fotografen Martin Schoeller und Art Streiter. Heute lebt und arbeitet Koch in Berlin.