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PhotoBookMuseum: Fenster zur Welt

Später Abend in Köln, Mülheim. Das Fabrikgelände des ehemaligen Carlswerks sät spärlich Licht. Es ist erstaunlich viel los. Aus einer Ecke klingt elektrische Musik. Zwei, drei Restaurants sind gut gefüllt. Backsteinromantik. Hier soll es ein Museum geben? Ein Fotobuchmuseum?

Tatsächlich leiten Schilder unmissverständlich zum Ziel, einer riesigen Halle. Übergroße Buchstaben sind an die Fensterfront geklebt: „The PhotoBookMuseum“. Trotz über 5000 Quadratmeter Ausstellungsfläche wirkt die alte Halle einladend, fast gemütlich.

Bevor Kurator Markus Schaden Zeit hat, ein paar Fragen zu beantworten (ein Sammlerpaar beansprucht seine ganze Aufmerksamkeit), bietet sich die Gelegenheit eines Rundgangs. Schaden hat die Industriekulisse in sein Museumskonzept aufgenommen und in der Halle große Schiffscontainer verteilt. Darin stellt er Fotoarbeiten von Künstlern aus aller Welt aus. Das Fotobuch dient dabei nur als Ausgangspunkt. Wer Bücher geschützt in Glasvitrinen vermutete, muss lange suchen. Fast möchte man meinen, man begehe ein Fotobuch. Es wird lebendig gemacht. Bestes Beispiel: Gleich am Eingang befindet sich das Café des Museums. Es ist der Hamburger Rotlicht-Kneipe „Lehmitz“ nachempfunden, in der der Fotograf Anders Petersen in den sechziger Jahren fotografierte. Seine legendären Aufnahmen wurden im Fotobuch „Café Lehmitz“ verewigt – dort treffe ich auch Markus Schaden.

Frage: Herr Schaden, seit vier Wochen ist das PhotoBookMuseum nun geöffnet, zu früh für ein Fazit?

Antwort: Sagen wir es mal so. Die Resonanz ist hervorragend. Der Publikumszuspruch ist riesig. Das hätte man in diesem Ausmaß nicht ahnen können. Ich vergleiche das Museum mit einem Baby. Es macht zwar viel Dreck und muss rund um die Uhr gepflegt werden, aber wir sind alle unheimlich glücklich, dass es da ist. Unerwartet ist die Aufmerksamkeit, die das Museum verursacht hat. Überrascht hat mich das konzeptionelle Verständnis. Es ist ja oft so, dass man mit einer Idee an die Stiftungen geht und vielleicht nicht auf Anhieb verstanden wird, was umgesetzt werden soll. Jetzt, da das Baby da ist, verstehen mich die Leute.

Frage: Kann man also sagen, dass Ihre Vorstellungen erfüllt wurden?

Antwort: Ich konnte mir nicht vorstellen, dass es ein so großes Interesse für die Thematik gibt. Auch dachte ich nicht, dass die äußeren Bedingungen dem Konzept zuträglich sind.

Frage: Weil man ein Museum eher in einem weißen Raum erwartet?

Antwort: Richtig. Die Halle kommt der Ausstellung sehr zugute. Jeder kann sich frei auf großem Raum bewegen. Nehmen wir das Beispiel der Replika des Café Lehmitz, in dem wir hier gerade sitzen. Warum darf man nicht einfach einen fotografierten Ort, eben die St. Pauli-Kneipe „Lehmitz“ nachbauen? Das kannst du nur in einer solchen Umgebung machen.

Frage: Ein Buch als begehbares Objekt sozusagen?

Antwort: Genau, das haben wir auch beim Projekt „La Brea Matrix“ wieder aufgenommen. Das Foto einer Straßenkreuzung in Los Angeles der siebziger Jahre wird der Ausgangspunkt für eine ganze Reise. Wem hat es beeinflusst? Was hat dieses Bild ausgelöst? Die Nutzungsvariante von Fotobüchern sozusagen. Der Zuschauer kann in die ganze Geschichte eintauchen. Daher haben wir das Bild auch übergroß ausgestellt und auch ein amerikanisches Sheriff-Auto in den Raum gestellt.

Frage: Ist die Zukunft der Fotografie das Fotobuch?

Antwort: Es ist niemals mehr fotografiert worden als heute. Um der digitalen Bilderflut Herr zu werden und entgegenzuwirken, werden Bilder in Bücher gepackt. Bücher halten, sie sind beständig, preiswert, demokratisch. Die digitalen Möglichkeiten werden genutzt, um genau das zu erstellen. Im Übrigen ist das in der Kunst ähnlich, wie mit dem privaten Urlaubsalbum, das als Buch gedruckt wird. Wichtig ist die Editierung. Ich sage aber auch, dass es Bücher auch in digitaler Form geben darf. Nicht alles muss auf Papier kommen. Im Vordergrund steht die Fotografie.

Frage: Das Buch als globales Medium?

Antwort: Wir hatten hier Schulklassen, die sich mit Fotobüchern auseinandergesetzt haben. Es war großartig, das zu sehen. Jeder kann damit etwas anfangen. Ein Fotobuch, und das ist das Faszinierende für mich, kann ein Fenster zur Welt sein, kann mich an Orte bringen, an denen ich noch nie gewesen bin und auch nie hinkommen werde.

Noch bis zum 3. Oktober sind die Tore des PhotoBookMuseums geöffnet. Danach machen sich die Container auf Reise. Stationen in Paris, Peking oder Los Angeles sind fest eingeplant. Anschließend kehren sie hoffentlich nach Köln zurück, um hier eine dauerhafte Bleibe zu finden. Der Senat der Domstadt hat darüber noch nicht abschließend beraten.  

Das Gespräch führte Lars Kreyßig.

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