Fotografin Kim Höhnle im Interview: Porträts in Schwarzweiß
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„Man muss lernen, das Licht zu lesen und zu fühlen.“ – Kim Höhnle im Interview

Kim Höhnle hat ihren fotografischen Stil gefunden. Es sind Bilder mit hartem Licht, starken Kontrasten und ausschließlich in Schwarzweiß. Warum das so ist, wie sie zu diesem Stil gefunden hat und wie sie Zugang zu ihren Gegenübern findet, verrät uns die Fotografin im Interview.

Fotografin Kim Höhnle im Interview

Schwarz und Weiß – so wenig, so viel. Viele Fotografinnen und Fotografen schwören auch heute noch auf den Verzicht von Farben – so auch Kim Höhnle. Ihre Bilder strotzen nur so vor Kraft und Energie. Wir haben uns mit der Fotografin über ihre spannende Arbeitsweise unterhalten.

DigitalPHOTO: Sie haben einen prägnanten fotografischen Stil. Wann und warum haben Sie sich entschieden, in Schwarzweiß zu arbeiten?

Kim Höhnle: Das war keine Entscheidung, die ich zu einem bestimmten Zeitpunkt gefällt habe – sondern ein jahrelanger Prozess. Meine Anfänge waren bunt und farbenfroh. Auch heute bin ich der Meinung, dass meine Fotos voller Farben sind – trotz Schwarzweiß. 2011 erkrankte ich an Krebs.

In dieser Phase meines Lebens lernte ich sehr viel über mich, denn diese Zeit hat mich zu der Frau gemacht, die ich heute bin. Schwarzweiß spiegelt sehr viel von mir wider. Die Tiefen und Höhen des Lebens, die Lebendigkeit – das Gefühl verankert sich in all diesen Grautönen. Durch die Arbeit mit Schwarzweiß wird das Wesentliche für mich sichtbar.

Ist es reine Interpretation, dass Ihre Bilder an alte Meister wie Helmut Newton oder Lindbergh erinnern?

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Danke für das tolle Kompliment. Keine Frage, beide Fotografen sind Meister und Inspiration und vor allem Vorbilder – aber niemals der Maßstab. Mir war schon sehr früh klar, dass ich mich voll und ganz auf mich konzentriere. Inspiration sind für mich das Leben, meine Gefühlswelt, die Menschen, die mir begegnen. Die Natur, Wind und Wasser. All das sauge ich auf und verarbeite ich in meiner Fotografie.

Der menschliche Körper steht bei Ihnen im Mittelpunkt. Warum, was reizt Sie daran?

Ich liebe den Menschen. Egal, ob Hände, Gesicht, Bauch oder Po. Ich sauge viel von meinem Gegenüber auf und vertraue meinen Gefühlen beim Fotografieren. Vincent Peters sagte einmal so schön: „Alles, was du fotografierst, bist du.“ Dieser Satz hat mich sehr beschäftigt, weil er so wahr ist. Wir zeigen ein Stück unserer Seele. Jedes Kunstwerk, das wir erschaffen, ist einzigartig. Weil ein Gefühl nicht zu kopieren ist. Weil der Moment uns gehört.

Daran die Anschlussfrage: Warum fotografieren Sie überhaupt Menschen?

Weil ich mich dort zuhause fühle. Jede Begegnung ist für mich besonders. Jedes Bild, egal, ob der Fokus verrutscht ist, ein Teil unscharf erscheint, ist ein Moment, der für immer bleibt – und das gefällt mir.

Wie finden Sie Ihre Models?

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Inzwischen bin ich ganz gut vernetzt. Ich arbeite mit Agenturen und durch die sozialen Medien hat sich ein breites Netzwerk aufgestellt. Aber man sieht, dass ich heute sehr viel mit denselben Menschen mache. Das liegt daran, dass ich das Vertrauen sehr schätze. Ich habe auch schon Personen auf der Straße angesprochen. Das kann ich jedem nur ans Herz legen.

Und wie suchen Sie Ihre Locations aus?

Am liebsten fotografiere ich draußen und hier wiederum meist am Wasser. Ich glaube, mehr als die Hälfte meiner Arbeiten finden im und am Wasser statt.

Woran liegt das?

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Wasser schenkt mir Ruhe und Kraft, auch meinen Gegenübern. Über die Jahre habe ich gemerkt, wie Wasser die Menschen beeinflusst. Wie vertraut es für einen ist. Die Kontraste zwischen Ruhe und Sturm, nicht zu wissen, was passiert, sind einmalig.

Wie nutzen Sie Licht für Ihre Fotos?

Licht ist der Meister der Fotografie. Ohne Licht kein Schatten, ohne Schatten kein Licht. So ist es auch im Leben. Höhen und Tiefen, Liebe und Hass, Lachen und Weinen, das macht das Leben aus. Und das unterstreiche ich durch meine Kontraste.

Arbeiten Sie nur mit Tageslicht?

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Ja, fast ausschließlich. Ich mag es zum Beispiel, in der prallen Mittagssonne zu fotografieren. Gerne stell ich mir dafür auch einfach einen Backdrop mit schwarzem Tuch auf – und schon hat man seine perfekte Location. Grundsätzlich ist mein Antrieb, immer überall Fotos in meinem Stil machen zu können. Egal mit wem und egal wie kreativ oder pur.

Mit einfachen Mitteln ans Ziel. Und vor allem ohne Druck. Einfach den Moment genießen, ob es regnet oder ob die Sonne scheint. Das spielt für mich heute keine Rolle mehr. Man muss lernen, das Licht zu lesen und zu fühlen. Gerade in der Mittagssonne oder wenn man draußen fotografiert. Da sag ich immer wieder: Raus und üben, ausprobieren. Man muss sich jeder Situation einmal gestellt haben, um herauszufinden, wohin der eigene Weg gehen soll.

Mit welcher Kamera und mit welchen Objektiven fotografieren Sie und warum?

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Ich fotografiere derzeit noch mit einer Canon 5D Mark III, an der ich fast ausschließlich meine 35mm-Festbrennweite von Sigma montiert habe. Ich werde mir demnächst eine neue Kamera zulegen, aber mein 35mm geht mit mir, salopp gesagt, irgendwann ins Grab. Es ist mein Herzstück. Das 35mm begleitet mich seit Jahren.

Wie und womit bearbeiten Sie die Fotos nach?

Ich arbeite nur mit Camera Raw und Photoshop. Meine Bearbeitungen dauern nicht lange: maximal zwei bis fünf Minuten. Unschwer zu erkennen, dass ich den Kontrast- und die Schärferegler besonders mag.

Worauf achten Sie bei Ihrer Bearbeitung?

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Ich muss ein Bild fühlen. Die Tiefen und das Licht sind mir am wichtigsten. Unwichtig ist für mich Rauschen. Auch Unschärfe und so weiter muss für mich nicht störend sein. Wenn das Bild so ist, dann ist es so. Davon lebt doch die Kunst. Nicht immer zu wissen, was rauskommt. Verwackler können so spannend sein. Und es nimmt auch den Druck, es muss nicht alles perfekt sein.

Können Sie sich noch an Ihr erstes Shooting erinnern? Was hat sich damals bis heute für Sie alles verändert?

Das ist sehr lange her. Ich weiß aber, dass ich schon immer gern alles und jeden fotografiert habe. Aber das erste richtige Shooting war für eine Bekannte, die mich gefragt hat, ob ich ihre Hochzeit fotografiere. Mein erster Gedanke war: Nein, das kann ich nicht. Aber ich hab es dann auf Risiko getan und alle waren happy.

Ich muss ein Bild fühlen. Ich komme aus der Malerei und habe Illustration studiert. Meine Kamera hat meine Pinsel ersetzt. Heute merke ich, dass die Kamera mir etwas geschenkt hat, was ich in der Malerei nicht geschafft habe.

Sie haben einen Satz zur Verfügung, der beschreibt, was Sie mit Ihren Bildern aussagen möchten. Wie lautet dieser Satz?

Leider ist dieses Zitat nicht von mir, aber es bringt alles, was ich denke und fühle, auf einen Punkt. Annie Leibovitz sagte: „Was Sie auf meinen Bildern sehen, ist, dass ich keine Angst hatte, mich in diesen Menschen zu verlieben.“

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