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„Für mich ist Fotografieren ein bisschen wie Kochen: eine Prise hiervon, ein bisschen davon und noch ein großes Stück von jenem.“ – Jennifer Braun im Interview

Wenn Speisen und Getränke im Mittelpunkt stehen sollen, werden professionelle Foodfotografinnen wie Jennifer Braun herangezogen. Erst das richtige Licht, die passende Perspektive und die Harmonie der Farben lassen uns beim Betrachten das Wasser im Mund zusammenlaufen.

 Jennifer Braun im Interview

Das ist doch alles gar nicht echt – gar kein echtes Essen, sondern Plastik!“, lautet ein sich noch immer haltendes Klischee über die Foodfotografie. Aber stimmt das wirklich? Und wieso braucht es heutzutage überhaupt professionelle Fotos von Speisen und Getränken? Wir haben uns mit Jennifer Braun unterhalten. Die Kölner Fotografin räumt hier mit so manchem Klischee auf und verrät, ob sie auch zu denjenigen gehört, die ihr Essen im Restaurant fotografieren.

DigitalPHOTO: Frau Braun, haben Sie alles richtig gemacht, wenn man beim Betrachten Ihrer Fotos grenzenlosen Appetit bekommt?

Jennifer Braun: Ja! Appetit ist immer gut.

Dann lassen Sie uns direkt mit einem Mythos aufräumen: Sind die Sachen, die Sie fotografieren, essbar oder ist das alles Plastik?

Ach ja … Nach „Wie geht es dir?“ ist das die Frage, die mir vermutlich am meisten gestellt wird. Nein, bei meinen Fotos ist nicht alles Plastik. Es wird nichts mit Lack angestrichen und auch Schaumstoffbrötchen haben mein Set noch nie betreten. Ich finde es großartig, dass das Essen vor meiner Kamera echt ist.

Dieser Mythos kommt aus einer vergangenen Zeit. Sicherlich gibt es auch noch bestimmte kleine Bereiche in der Werbefotografie, in denen diese Art zu arbeiten angewendet wird. Leider werden solche Teilbereiche immer herausgestellt und es wird so getan, als wäre die komplette Foodfotografie so.

Und doch müssen die Lebensmittel für die Kamera inszeniert werden: Was sind Ihre Tricks, um sie attraktiv und ansprechend aussehen zu lassen?

Das ist immer eine Gemeinschaftsarbeit zwischen mir und den Foodstylistinnen und -stylisten, beziehungsweise dem Koch oder der Köchin. Der Schlüssel sind hauptsächlich frische Lebensmittel, durchdachtes Anrichten sowie gutes Licht und die richtige Perspektive. Unser häufigster Trick hierbei ist, das Essen ab und zu mit Wasser anzusprühen oder vielleicht an gezielten Stellen mit ein wenig Speiseöl zu bepinseln.

Gibt es Lebensmittel, die sich Ihrer Meinung nach besonders schwer fotografieren lassen?

Einige Zutaten muss man schnell fotografieren, das macht die Sache manchmal ein wenig schwierig. Im Winter haben frische Kräuter zum Beispiel keine so große Standhaftigkeit.

Da muss man gegebenenfalls den Koriander, der als Deko auf dem Teller liegt, öfter austauschen. Feine Schäumchen in der Gastronomie können auch nicht beliebig lange fotografiert werden. Hohe Temperaturen machen uns im Sommer bei dem ein oder anderen Dessert schon einmal das Arbeiten ein bisschen schwerer. Und natürlich Bier und Eis.

Was sind da die Tücken?

Also ein frisch gezapftes Bier mit perfekter Schaumkrone und Wasserperlen in Kombination mit einem Eisbecher mit Schlagsahne auf einer Aufnahme zu vereinen, würde ich schon als eine Herausforderung ansehen. Kommt in dieser kulinarischen Kombination zum Glück nicht so häufig vor.

Sie arbeiten sehr bewusst mit Licht und Schatten: Welche Rolle spielt das Licht in der Foodfotografie und wie beeinflusst es Ihre Arbeit?

Wie in wahrscheinlich jedem Bereich der Fotografie spielt Licht die wichtigste Rolle. Licht und Schatten gehören unzertrennlich zusammen. In meinen Foodfotos macht es mir besonders viel Freude, die Nuancen zwischen Licht und Schatten genau auszuloten:

Wie hart soll der Schatten sein, wie warm das Licht, wie sehr helle ich die Schatten auf, lasse ich den Schatten weich auslaufen oder setze ich noch einmal einen zusätzlichen Lichtreflex hinein? Licht gibt den Fotos eine eigene Stimmung.

Wie würden Sie Ihre eigene Stimmung, Ihren individuellen fotografischen Stil beschreiben?

Die Fotografie gibt es schon so lange. Im Grunde ist inzwischen alles eine Kombination aus aneinander gesetzten Wiederholungen von dem, was jemand schon einmal fotografiert hat. Die persönliche Note ist die Art, wie man diese Wiederholungen einsetzt. Für mich ist Fotografieren ein bisschen wie Kochen: eine Prise hiervon, ein bisschen davon und noch ein großes Stück von jenem.

Was meinen Sie damit?

Ich baue mir zum Beispiel oft Moodboards, also Ideensammlungen aus verschiedenen Inspirationen, mit denen andere Personen nicht viel anfangen können, weil sich das eigentliche Bild erst in meinem Kopf zusammenfügt. Bei dem einen Foto finde ich die Perspektive gut, bei anderen den Lichteinfall und beim nächsten die Anordnung der Bildelemente.

Während ich das Set dann baue, füge ich noch weitere Veränderungen hinzu, ich schmecke das Bild quasi während des Fotografierens ab. Meine persönliche Note kommt also sehr aus dem Bauch heraus, der natürlich mit viel Erfahrung gefüttert wurde.

Können Sie uns etwas über die Bedeutung von Farben und Komposition in der Foodfotografie erzählen?

Bei der Wahl der Perspektive schaue ich mir an, wie das Gericht am besten wirkt. Ein Schichtdessert von oben fotografiert kommt natürlich nicht so gut zur Geltung, wie von der Seite aufgenommen. Manchmal entscheide ich mich, die Farbwelt Ton in Ton anzulegen, für ein anderes Bild ist es spannend, mit Kontrasten zu spielen.

Die Möglichkeiten in der Fotografie sind grenzenlos, man kann jeden Regler in verschiedene Richtungen drehen – ganz symmetrisch und akkurat arbeiten oder mit Brotkrümeln und Kräutern die Ordnung brechen. Wichtig ist, sich klar zu entscheiden und dann alle Elemente entsprechend abzustimmen.

Sie arbeiten oft mit farbigen Hintergründen.

Ja, es gibt einige Fotostrecken, die auf farbigen Hintergründen fotografiert sind, aber genauso Bilder auf weißen Tischdecken, Holz und Fliesen. Ich wähle die Hintergründe je nach Bildidee und Stil aus.

Ein Holzuntergrund wirkt wärmer und natürlicher, weiße Tischdecken ein bisschen edler und gesetzter, heller Marmor eleganter und kühler, farbige Untergründe knalliger. Je nachdem, für welchen Stil ich mich entscheide, wähle ich den Untergrund.

Für wen arbeiten Sie? Sprich: Wer braucht Foodfoto-Profis wie Sie?

Ich arbeite für Agenturen, Verlage, die Gastronomie und den Lebensmitteleinzelhandel sowie für Lebensmittelhersteller. Meine Fotos erscheinen in Kochbüchern und Magazinen, auf Webseiten und Social Media oder auf großflächigen Plakaten. Die Foodfotografie ist ein Spezialbereich im weiten Spektrum der Fotografie.

Ich denke, in der professionellen Fotografie ist es generell sinnvoll, sich auf bestimmte Bereiche zu spezialisieren – egal, ob Architektur, Autos, Mode, Porträt oder eben Food. Die Fokussierung auf einen Bereich schafft auch eine besondere Qualität in diesem speziellen Feld.

Sie sagen über sich, dass Sie die Faszination für gutes Essen antreibt, aber auch das Handwerk, das dahintersteckt. Was meinen Sie genau damit?

Kochen ist Kunst, aber eben auch Handwerk, und jedes Essen ist nur so gut wie das Handwerk, das dahintersteckt. Das haben Kochen und Fotografieren gemeinsam. Beides ist eine Mischung aus Kunst und Handwerk. Mich interessiert nicht nur das fertige Gericht, sondern auch die Zubereitung.

Wie wird man eigentlich Foodfotografin?

Da gibt es meiner Meinung nach keinen klaren Weg, den man gehen muss – einige kommen von der Food-Seite und haben zum Beispiel eine Ausbildung in der Küche absolviert, andere kommen von der Fotografie, aber auch ein kompletter Quereinstieg ist möglich.

Ich selber habe eine Ausbildung zur Fotografin in der Werbung gemacht und habe dort auch zum ersten Mal Essen fotografiert und dabei kennengelernt, welche Besonderheiten die Foodfotografie mit sich bringt. Im Anschluss hatte ich im Fotografie-Studium an der Fachhochschule Dortmund die Möglichkeit, durch unterschiedliche ästhetische Praktiken eine eigene Bildsprache zu entwickeln.

Welche Trends oder Entwicklungen sehen Sie derzeit in der Foodfotografie und wie passen Sie sich diesen an?

Trends sind vergänglich. Daher sollte man sich diesen nicht anpassen, sondern schauen, ob und wie sie mit dem eigenen Stil zusammengehen. Manchmal greifen meine Kundinnen und Kunden Trends zum Beispiel aus den sozialen Medien auf, dann schaue ich mir genau an, ob das zum Produkt und Image der Firma passt.

Wenn nicht, rate ich in solchen Fällen eher davon ab. Langfristige Entwicklungen finde ich da spannender. Ich mag, dass Essen wieder echter geworden ist, natürlicher. Und auch wie sich die Lichtsetzung in den vergangenen Jahrzehnten verändert hat und es trotzdem immer wieder Referenzen auf Stile aus der Vergangenheit gibt.

Bemerken Sie einen zunehmenden Einfluss der Künstlichen Intelligenz in Ihrer Arbeit?

Jede technische Entwicklung in der Fotografie beeinflusst auch die Arbeit. Das war auch früher schon so. Die Lebens- und Arbeitswelt ist immer im Wandel, niemand kann in die Zukunft schauen und KI und der Umgang damit kann sich in sehr viele unterschiedliche Richtungen entwickeln, die wir alle nicht vorhersehen können.

Ich glaube, dass alle technischen Bereiche der Fotografie gemeinsam koexistieren werden. KI, digitale Fotografie und analoge Fotografie sowie Mischformen aus den verschiedenen technischen Möglichkeiten.

Eine letzte Frage: Heutzutage wird jeder Restaurantbesuch dokumentiert. Gehören Sie auch zu den Leuten, die ihr Essen fotografieren?

Auf gar keinen Fall! Wenn ich privat essen gehe oder zu Hause etwas koche, dann bleiben Kamera und Handy in der Tasche. Privat werde ich nervös, wenn ich vor dem Essen erst ein Foto abwarten muss.

Die Fotografin

Die gebürtige Oberpfälzerin arbeitet seit 2010 freiberuflich als Fotografin mit dem Schwerpunkt Food. Nach einer Ausbildung zur Fotografin in einer Werbeagentur studierte Braun im Anschluss Fotografie an der Fachhochschule Dortmund, wo sie mit Diplom abschloss. Ihre Bilder finden sich in Kochbüchern und Magazinen wie auch auf Social Media und in großflächigen Kampagnen. Braun lebt und arbeitet in Köln.

www.jennifer-braun.de

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