Ring frei für den Kampf der Systeme! Welche Fototechnik hat die Nase vorn? Klassische DSLR oder moderne CSC? Wir schicken die beiden Kameraklassen in den Clinch über 12 Runden und checken, wer wen am Ende auf die Bretter schickt! Umfangreiche Kaufberatung für Einsteiger bis Profis inklusive.
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Als 2008 Panasonic mit der Lumix DMC-G1 die erste digitale, spiegellose Systemkamera vorgestellt hat, rümpften viele ambitionierte Fotografen die Nase. Eine Kamera für den gehobenen Anspruch, die keinen optischen Sucher mitbringt, auf einen Spiegelkasten verzichtet und so klein ist wie eine Kompaktkamera? Das kann ja nichts sein! Bei den Verbrauchern jedoch hatte Panasonic mit dieser ersten CSC einen Nerv getroffen. Endlich mussten sie sich nicht mehr entscheiden, ob sie beim Fotografieren mehr Wert auf Qualität oder auf den Komfort eines kleinen Gehäuses legen wollten. Die CSCs verbanden das Beste aus beiden Welten!
Inzwischen bietet alleine Panasonic 31 verschiedene CSC-Modelle an. Die anderen Hersteller sind längst dem Beispiel gefolgt. Selbst Canon, die sich viele Jahre in diesem Segment vornehm zurückgehalten haben. Dass viele Hersteller auf Systemkameras setzen, ist kein Zufall. Die Geräte kommen bei den Kunden gut an und sind für die Hersteller umsatzstark. Und das in einem Marktumfeld, in dem die Kamerabranche schwer zu kämpfen hat. Durch die Verbreitung der Smartphones ist der Markt der Kompaktkameras fast komplett zusammengebrochen. Auch die Verkaufszahlen der DSLRs gehen seit Jahren zurück. Wurden laut Zahlen von GfK im Jahr 2013 noch über 1 Million DSLRs in Deutschland verkauft, waren es im letzten Jahr nur noch 630.000. Während Jahr für Jahr weniger DSLRs verkauft werden, geht der Trend bei CSCs genau in die andere Richtung – wenn auch bei Weitem nicht so rasant, wie es viele prognostiziert haben. Wurden im Jahr 2011 in Deutschland nur 130.000 Exemplare abgesetzt, waren es im letzten Jahr schon 276.000. Jubelschreie dürfte das Wachstum bei den Herstellern trotzdem nicht ausgelöst haben, denn der Zuwachs im Vergleich zum Jahr 2014 (270.000) war minimal. Im selben Zeitraum ging der Absatz bei den DSLRs in Deutschland um 90.000 Kameras zurück. Dass qualitätsbewusste Fotografen jetzt statt zur neuen DSLR zur CSC greifen, lässt sich in der Statistik also nicht ablesen. Eher, dass der Großteil der fotobegeisterten Deutschen aktuell mit dem eigenen Kamerasystem zufrieden ist und einen Neukauf bisher scheut.
Welches System ist besser?
Sollte Sie aber aktuell vor einem Kameraneukauf stehen, stellt sich automatisch die Frage, ob es eine DSLR oder eine CSC werden soll. Nach wie vor sorgt diese Frage für erbitterte Diskussionen in der Fotografenwelt, welches System denn nun die Nase vorn hat. Die DSLR-Anhänger schwören auf die maximale Qualität dank meist größeren Bildsensoren und lichtstärkeren Optiken. Die CSC-Fans hingegen belächeln die vermeintlich veraltete Technik und spotten über die wuchtigen Kolosse, die DSLR-Fotografen auf Reisen mit sich herumtragen.
Wer die beiden Kamerasysteme miteinander in der Praxis vergleicht, merkt schnell, dass die Frage so leicht gar nicht zu beantworten ist. Denn während die Spiegelreflex in einem Bereich ihre Stärken ausspielt, ist die CSC dafür auf anderen Gebieten stärker. Insgesamt haben wir die beiden Systeme in zwölf Disziplinen gegeneinander antreten lassen. Da lag die Analogie zu einem Boxkampf natürlich nahe, der bekanntlich auch über zwölf Runden geht – zumindest, wenn nicht einer der Kontrahenten vorher angezählt wird und K. o. geht.
Doch in unserem Duell ging keiner von beiden vorab auf die Bretter. Stattdessen hat der Detailvergleich der beiden Systeme vor allem eines gezeigt: Kein System ist dem anderen in allen Punkten überlegen. So können DSLRs und Spiegellose jeweils mit Vorzügen punkten. In anderen Disziplinen hingegen bleibt es eine Geschmacksfrage, welche Lösung man für besser hält. Ein typisches Beispiel: der Sucher. Bei DSLRs setzen die Hersteller auf optische Sucher, bei denen der Fotograf über den Spiegel direkt durch die Linse blicken kann. Er sieht also das Motiv so, wie es tatsächlich ist. Ohne zeitliche Verzögerung, ohne eine elektronische Berechnung von Farben und Kontrast. Bei CSCs ist der Blick durch die Linse konstruktionsbedingt nicht möglich. Hier steht den Fotografen stattdessen ein elektronischer Sucher zur Verfügung. Der ist allerdings viel mehr als nur eine abgespeckte Alternative. Anders als der optische Sucher zeigt der elektronische Sucher den tatsächlichen Bildausschnitt an, der von der Kamera aufgenommen wird. Außerdem kann man sich die Auswirkungen von Änderungen der Kameraeinstellungen sofort im Live-Bild anschauen. Der Fotograf hat somit eine deutlich größere Bildkontrolle.
Übrigens, neuere Systemkameras, wie etwa die Fujifilm X-Pro2, bieten einen Hybrid-Sucher, der sowohl elektronisch als auch optisch arbeiten kann. Das Beste aus beiden Welten und der richtige Weg für zukünftige Modellentwicklungen.
Vorteil großer Bildsensoren
Deutliche Vorteile haben DSLRs zweifellos beim Thema Bildsensor. Kein Wunder, schließlich haben die Hersteller hier deutlich mehr Platz im Gehäuse zur Verfügung. Selbst Einsteiger-Kameras bieten mit dem APS-C-Format vergleichsweise große Bildsensoren. Bei CSCs hingegen, vor allem im Einsteigersegment, werden meist kleinere Sensoren verbaut – so beispielsweise die CX-Sensoren bei den Nikon 1. Auch Panasonic und Olympus setzen mit Micro-Four-Thirds auf deutlich kleinere Chipabmessungen. Fujifilm nutzt indes das APS-C-Format für seine X-Kameras. Was der Größenunterschied bewirkt, kann jeder, der mit beiden Kamerasystemen mit scheinbar identischer Brennweite fotografiert, sofort mit eigenen Augen sehen: Je kleiner der Bildsensor ist, desto kleiner ist auch der Bildausschnitt. So entspricht der Bildausschnitt bei einer Nikon 1 V3 bei einer Brennweite von 10mm beispielsweise einer Brennweite von 27mm bei einer Vollformatkamera. Die Folge: Spektakuläre Weitwinkelaufnahmen sind mit CSCs mitunter schwieriger bis unmöglich!
Dafür bieten spiegellose Modelle aber andere Vorzüge. Wer regelmäßig mit seiner DSLR auf Reisen geht, kennt das Problem: So toll die Aufnahmen mit der Kamera auch werden – sie ist als ständige Begleiterin ganz schön lästig. Egal, ob bei einer Wandertour, einem Konzert, dem spektakulären Auslaufen eines Kreuzfahrtschiffs oder beim Sightseeing in einer Stadt. Immer baumelt die Kamera um den Hals oder füllt eine zusätzliche Tasche, die man mitschleppen muss. So ertappen sich wahrscheinlich viele DSLR-Fotografen immer mal wieder bei der Frage, ob sie die Kamera diesmal nicht lieber zu Hause lassen sollten. Und genau hier liegt die große Stärke vieler CSCs. Sie sind quasi genauso handlich wie eine Kompaktknipse und passen, mit einem kurzen Objektiv ausgestattet, faktisch in viele Hosen- und Jackentaschen. Deshalb sind diese Modelle ideale „Immer-Dabei-Kameras“. Interessant in diesem Zusammenhang: Während viele DSLR-Fotografen auf Reisen auf wuchtige Reisezooms mit großem Brennweitenbereich setzen, bevorzugen die meisten CSC-Fotografen schlanke Weitwinkelzooms oder Festbrennweiten. Eingeschränkt fühlen sich viele dadurch nicht. Es stehen aber auch für Systemkameras Reisezoom-Alternativen bereit.
Fazit
In unserem Boxkampf der Systeme haben sich letztendlich die DSLRs trotzdem knapp durchgesetzt. Entscheidend dafür sind unter anderem das aktuell noch deutlich bessere Objektivangebot und die Vorzüge, die die größeren Sensoren (Vollformat und APS-C) in der Praxis mitbringen. Allerdings muss bei diesem Ergebnis ergänzt werden, dass sich die Punkteverteilung bei einem Rückkampf im nächsten Jahr wahrscheinlich schon anders darstellen wird. So wird das Objektivangebot für die CSCs ständig ausgebaut. Und auch der Wunsch nach mehr Systemkameras mit größeren Bildsensoren ist bei den Herstellern angekommen. So munkelt man beispielsweise, dass Nikon spätestens im Laufe des nächsten Jahres ein Modell mit einem Vollformatsensor vorstellen wird. Damit würden Spiegelreflexkameras ihren Vorsprung in wichtigen Bereichen einbüßen.
Einen Abgesang auf die DSLRs zu starten, ist aber dennoch verfrüht. Die Spiegelreflex liegt in der Gunst der Kunden (noch) deutlich vorn, was auch die GfK-Zahlen zu Beginn gezeigt haben: 630.000 verkauften DSLRs stehen 273.000 CSCs gegenüber. Doch die spiegellose Klasse macht Boden gut, während sich die DSLRs im leichten Sinkflug befinden.Salomonisch könnte man es mit DSLRs und CSCs auch halten wie der Filialleiter eines Fotofachgeschäfts in Düsseldorf: „Bei Shootings führt an meiner DSLR kein Weg vorbei, aber im Urlaub bin ich froh, wenn ich meine spiegellose Systemkamera dabeihabe!“