Andrea Riedel nutzt in ihren Arbeiten die KI-Technologie, um verschiedene Bildstile wie Fotografie, diverse Drucktechniken und Collagen kreativ miteinander zu kombinieren.
Andrea Riedel im Interview: Jetzt wird's bunt
Die Grafikdesignerin Andrea Riedel kreiert seit zwei Jahren fotorealistische Bilder mithilfe von Künstlicher Intelligenz. Im Interview erzählt sie von den Möglichkeiten der KI, dem kreativen Prozess und ihrer anfänglichen Skepsis.
DigitalPHOTO: KI ist in aller Munde. Wie sind Sie für Ihre Arbeit damit in Berührung gekommen?
Andrea Riedel: Künstlerisch bin ich gefühlt schon immer tätig, ohne dass ich das so genannt hätte. Zuerst mit Bleistift- und Kohlezeichnungen, später fotografisch mit meiner Nikon D5200. Vor ungefähr zwei Jahren, als das Thema KI gerade im Aufkommen war, hatte ich damit begonnen, digitale Collagen in Photoshop zu erstellen.
Das war sehr zeit- und arbeitsaufwändig. Von der Idee über das Zusammensuchen der Bestandteile und der Montage jedes Einzelteils, Retusche … bis so ein Bild fertig ist, dauert es mitunter viele Stunden.
Ich hatte dann den Gedanken, ob KI mir nicht Ideen für so eine Collage liefern könnte und vielleicht sogar die Einzelgrafiken, die ich dann für die händische Montage der Collage in Photoshop freistellen und platzieren wollte. Daran sieht man schon, wie neu dieses ganze Thema auch für mich war.
Niemals hätte ich mir vorstellen können, dass die Künstliche Intelligenz mir auch einfach eine komplette Collage generieren könnte, ohne dass ich jedes Einzelteil bearbeiten muss. Ich bin dann sehr schnell über das Ausprobieren verschiedener Stile letztendlich auch beim Fotorealismus angekommen.
Vielleicht erklären Sie uns kurz, wie Sie bei Ihrer Arbeit vorgehen, wie ist der Ablauf?
Mein kreativer Prozess folgt meist zwei Hauptansätzen: Entweder starte ich mit einer klaren Bildidee und schreibe einen entsprechenden Prompt selbst oder ich lasse mich von anderen Kunstwerken inspirieren. In letzterem Fall verwende ich die KI, um die Bildbeschreibung für das Inspirationsbild zu generieren, und entwickle daraus meinen Prompt.
Mein Tool der Wahl für die Realisierung meiner Ideen ist Midjourney. Ich habe einige andere KI-Bild-Generatoren ausprobiert, aber für mich liefert Midjourney – gerade auch im fotorealistischen Bereich – die wirklichkeitsgetreuesten Ergebnisse.
Die eigentliche Gestaltung und Erzeugung des Bildes geht mal sehr schnell, kann aber auch mehrere Schritte und Varianten in Anspruch nehmen. Das ist immer ein wenig wie eine Wundertüte. Selten bin ich gleich mit der ersten Ausgabe des Bildes einverstanden.
Wenn ich mit allen Bildelementen zufrieden bin, mache ich meistens direkt in Midjourney ein Upscale des Bildes und danach ein weiteres Upscale mit dem Tool Magnific.ai. Dieses Tool ist für mich der absolute Gamechanger, wenn es um die Verbesserung der Auflösung geht. Zu guter Letzt mache ich noch Color Grading und Retusche in Photoshop.
Hat die Künstliche Intelligenz Einfluss auf Ihre Arbeit als Grafikerin?
Als Grafikdesignerin sehe ich KI als zusätzliches Tool, das Zeit spart, meine Arbeit bereichert und insgesamt angenehmer macht. Sie hilft mir dabei, schneller neue Ideen zu entwickeln, Inspirationen zu finden und visuelle Elemente zu erstellen, die ich dann integrieren und – falls notwendig – nach meinem eigenen Stil weiterbearbeiten kann.
Ich verwende KI, um Ideen für Logos, Farbpaletten und Bildsprachen zu entwickeln, habe aber auch schon eine Serie von fotorealistischen Bildern für ein Buchcover generiert, von dem dann auch eines auf dem Cover gelandet ist.
KI liefert mir oft auch spannende Ansätze, die ich so vielleicht gar nicht im Kopf gehabt hätte.
Am Ende ist sie für mich aber ein kreativer Impuls und ein wichtig gewordenes Werkzeug – den Feinschliff und die persönliche Note bringe ich nach wie vor selbst ein.
Hat die Nutzung von KI Ihr Verständnis und die Herangehensweise an Kunst verändert?
Ich war am Anfang absolut skeptisch und sogar sehr ablehnend gegenüber Künstlicher Intelligenz. Wie viele andere auch dachte ich, dass KI-generierte Kunst keine echte Kunst ist. Ich hatte mir sogar geschworen, niemals KI zu verwenden. Aber dann fing ich damit an, mir Ideen geben zu lassen. Schnell war ich völlig begeistert.
Ich habe im Prozess erkannt, dass Kreativität nicht nur aus der eigenen Hand entstehen kann, sondern auch durch die Zusammenarbeit mit Technologie.
Früher habe ich viel Zeit in jedes einzelne Detail gesteckt, jetzt sehe ich den Prozess mehr als ein Ineinandergreifen von Mensch und Maschine – eine Art Dialog, bei dem ich der KI bestimmte Impulse gebe und sie für mich weiterdenkt und die Umsetzung übernimmt.
Die Nutzung von KI-Tools hat mein Verständnis von Kunst definitiv erweitert. Es hat meinen Horizont erweitert, was möglich ist und wie schnell sich Ideen in die Realität umsetzen lassen.
Was sind die größten Herausforderungen?
Eine der größten Herausforderungen ist definitiv, die Kontrolle zu behalten. Anders als bei traditionellen Methoden, wo ich von Anfang bis Ende alles selbst bestimme, habe ich bei der Arbeit mit KI oft das Gefühl, dass ich die Richtung nur vorgeben kann und dann loslassen muss, um zu sehen, was dabei herauskommt.
Das erfordert ein gewisses Vertrauen in die Techno-logie, aber auch Geduld und Anpassungsfähigkeit, um die Ergebnisse kreativ zu steuern. Gleichzeitig bietet das auch eine unglaubliche Chance:
Die Geschwindigkeit und Vielfalt, mit der KI Ideen generiert, ermöglicht es mir, schneller zu experimentieren, neue Ansätze auszuprobieren und auch mal Grenzen zu überschreiten, die ich mir selbst vielleicht gesetzt hätte.
Und welche Vorteile sehen Sie konkret?
Besonders im Bereich des Fotorealismus kann ich durch KI-Tools viel mehr umsetzen, als es mir mit traditionellen Methoden jemals möglich wäre.
Um ein wirklich professionelles, fotorealistisches Bild zu erschaffen, bräuchte man normalerweise teures Equipment, gegebenenfalls ein Studio/Set, aufwändige Lichtsetzung und möglicherweise auch Models.
Mit der KI kann ich diese Schritte überspringen und trotzdem beeindruckende, realistisch wirkende Bilder erzeugen. Zudem lassen sich komplexe Konzepte, die früher lange Bearbeitungszeiten in Photoshop erfordert hätten, viel einfacher umsetzen.
Wie sehen Sie die Chancen von KI in der Kunst- und Fotowelt in der Zukunft?
Ich glaube, dass KI die Kunstwelt definitiv verändern, aber nicht verdrängen wird. Traditionelle Kunstformen werden immer ihren Platz haben, weil sie tief in unserer Kultur und Geschichte verwurzelt sind und von menschlicher Handarbeit, Emotion und Individualität leben.
Was KI jedoch bewirken könnte, ist eine Art Entwicklung in der Art, wie wir Kunst wahrnehmen und erschaffen. Sie bietet Kunstschaffenden – oder auch Menschen, die immer davon geträumt haben, Kunst zu machen – neue Werkzeuge, um ihre Kreativität zu erweitern und sich auf ganz neue Weise auszudrücken.
Ich sehe die Zukunft der Kunst eher als eine Fusion zwischen traditionellen und digitalen Methoden, bei der man beide Welten nutzen kann, um etwas wirklich Einzigartiges zu schaffen.
Haben Sie zum Schluss noch einen Tipp für alle, die mit KI Bilder erstellen wollen?
Gehen Sie spielerisch an die Sache heran und erwarten Sie weder von sich noch von der KI Perfektion. Ein gutes Bild entsteht meistens durch einen Prozess mit mehreren Versuchen und nicht durch einen von Anfang an perfekten Prompt.
Seien Sie offen für die Interpretation der KI und haben Sie keine Angst, andere Kunst zu imitieren. Der Künstler Salvador Dalí soll einmal frei übersetzt gesagt haben: „Wer nichts nachahmen will, produziert nichts.“ Starten Sie einfach, ohne zu lange nachzudenken.
Lassen Sie sich nicht von fremden oder gar der eigenen Stimmen beeinflussen, die meinen, was Sie tun, sei keine echte Kunst. Es geht darum, den eigenen kreativen Ausdruck zu finden und weiterzuentwickeln. Trauen Sie sich, diesen Weg zu erkunden, und seien Sie bereit, aus dem Experiment etwas Neues zu lernen.
Ich glaube, so werden Sie Ihren ganz eigenen Stil und Ihre einzigartige Stimme in der Welt der KI-Kunst finden.
Andreal Riedel (45) kommt aus Dettingen unter Teck bei Stuttgart. Sie ist nebenberuflich Grafik- und Webdesignerin.
Vor etwa zwei Jahren entdeckte sie die Welt der digitalen Collagen und begann, KI-Technologie in ihre Arbeit einzubeziehen. Auf ihrem Künstleraccount auf Instagram nutzt Andrea KI, um innovative Werke zu erstellen und ihre kreativen Ideen auf neuartige Weise umzusetzen.
www.collageri.de | Instagram: @collageri.ai