Wird die KI-Technologie den Job von Porträtfotografinnen und -fotografen doch schneller als gedacht eliminieren? Unsere Redakteurin Ana Barzakova hat sich auf dem KI-Markt umgeschaut und einige der Online-Tools für KI-Bewerbungsfotos getestet.
KI-Bewerbungsfotos im Test
Apps mit Filtern, die uns als ein Gemälde von Roy Lichtenstein oder van Gogh darstellen, kennen wir ja schon seit einigen Jahren. Aber was ist, wenn die Tools nun anhand von nur ein paar Referenzfotos komplett neue und auch realistisch wirkende Bilder von uns erzeugen können?
Hier zu unterstreichen: von uns selbst, sprich von realen Menschen. Seit dem Ausbruch des KI-Trends in diesem Jahr ist der Bereich der Porträtfotografie auch nicht unverschont geblieben. Vor allem die Erstellung realistischer Business- Porträts mithilfe Künstlicher Intelligenz ist momentan total angesagt.
Im Internet findet man zahlreiche Websites, die professionell wirkende KI-generierte Headshots (aus dem Englischen: Fotos mit der nahen Einstellungsgröße, sprich vom Kopf bis zur Mitte des Oberkörpers) anbieten. Das Hauptargument bei allen: Sie bleiben gemütlich zu Hause und brauchen keinen Termin im Fotostudio mehr, wenn Sie ein neues Bewerbungsfoto oder eine neue Profilaufnahme für Ihr LinkedIn-Konto brauchen.
Und noch wichtiger: Dabei sparen Sie die Kosten für die Fotografin bzw. den Fotografen, die meist im dreistelligen Bereich liegen. Die Erstellung realistischer KI-Porträts im Internet dagegen kostet momentan im Durchschnitt gerade einmal um die 20 US-Dollar.
Wohin die KI-Reise in Zukunft geht, ist eine der wichtigsten und schwierigsten Fragen, die uns Fotografinnen und Fotografen weltweit beschäftigt. Sicher ist, dass die KI-Technologie unsere Arbeitsweise und die Fotoergebnisse verändern wird. Die Frage „Inwiefern genau?“ kann jedoch kaum jemand beantworten. Eins ist aber bereits jetzt klar:
Die Business-Fotografie ist mobiler geworden. Die Tendenzen sind: raus aus dem Studio und weg von der klassischen Studiofotografie mit dem einfarbigen Hintergrund. Die Kundinnen und Kunden wünschen sich zunehmend dynamische Porträts in einer natürlichen (Arbeits-)Atmosphäre.
Das Aussehen und die Wirkung der Business-Porträts sind natürlicher, persönlicher und alltagsgebundener geworden. Das sind Trends, die seit Jahren durch die sozialen Medien und die Entwicklung der mobilen Geräte getrieben und durch die KI heute weiterhin befeuert werden.
Es wird immer wieder mit den Outfits, Hintergründen und der Ausleuchtung experimentiert. Daher werden Fotografierende, die ihre Kundschaft nur ins Studio locken wollen, zunehmend in Schwierigkeiten geraten. Business-Fotografierende dagegen, die mobil arbeiten, die die Porträtierten über ihre Körpersprache coachen sowie über Kenntnisse im Interieurdesign und Mode verfügen, werden weiterhin geschätzt sein und Aufträge bekommen.
Natürlich werden sie aber auch die KI in ihre Arbeit integrieren müssen. Das ist Teil der Zukunft.
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Ein Meer der Möglichkeiten
Als fotointeressierte, neugierige Menschen haben wir uns entschieden, zu überprüfen, was hinter diesem Trend steckt. Obwohl der Markt äußerst jung ist, kommt man auch bei der Suche nach KI-Generatoren für Business-Porträts schnell ins Meer der zahlreichen Angebote.
Im Internet findet man eine Menge Anbieter, die alle die besten Bildergebnisse versprechen. So kündigte z. B. AI SuitUp (www.aisuitup.com) im Februar 2023 sein Tool als „the highest level of photorealism on the market“ (zu Deutsch: „das höchste Niveau des Fotorealismus auf dem Markt“) an.
Aber welcher von all diesen Online-KI-Anbietern ist tatsächlich gut? Um an mehr Informationen über ihre Arbeit zu gelangen, muss man bei manchen Websites zuerst ein Konto mit einer E-Mail-Adresse erstellen oder gar direkt ein Fotopaket buchen und dieses mit der Kreditkarte bezahlen (wie bei www.PhotoAI.com). Letzteres fanden wir besonders fragwürdig und haben solche Tools nicht getestet.
Was wir Ihnen bei der Nutzung einer solchen Website empfehlen können, ist, nach Informationen über den Hersteller und nach den Q&A (aus dem Englischen: die Rubrik „Meistgestellte Fragen“) zu suchen. Bei www.HeadshotPro.com oder AI SuitUp beispielsweise ist es übersichtlich beschrieben, wem die neuen KI-generierten Bilder gehören, für welche Zwecke Sie diese verwenden dürfen, nach wie vielen Tagen die KI-Firma die Werke löscht, unter welchen Konditionen Sie ein Rückgaberecht haben etc.
Eine Kontaktadresse für Rückfragen ist auch besonders wichtig, sowie die Frage, wo auf der Welt sich die Server des entsprechenden Anbieters befinden. Solche Websites machen unserer Erfahrung nach einen seriösen Eindruck.
Die Spannung steigt
Für unseren Test haben wir uns für AI SuitUp entschieden.
Wie oben beschrieben, bietet die Website des Anbieters genügend Informationen zu den wichtigsten Fragen. Nach einer Kontaktaufnahme per E-Mail haben wir auch innerhalb einiger Stunden eine kompetente Hilfe erhalten. Der Bestellprozess an sich verläuft sehr intuitiv.
Wie bei den meisten Webangeboten muss man sich auch hier für eines der drei Preispakete entscheiden (s. oben). Wir haben das Paket „Professional“ mit 150 Bildern in HD-Auflösung ausgewählt. Kostenpunkt: 29 US-Dollar. Damit der KI-Generator von AI SuitUp Ihre neuen Business-Porträts kreiert, braucht er 15 Selfies von Ihnen.
Auch zu den Regeln und Voraussetzungen für bestmögliche Ergebnisse gibt es eine übersichtliche und hilfreiche Beschreibung. Noch vor dem Upload der eigenen Bilder werden Ihnen gute und schlechte Beispiele für Selfies angezeigt.
Unpassende Aufnahmen, die Sie hochgeladen haben, werden sofort als solche markiert, sodass Sie diese entfernen und neue hinzufügen können. Nach diesem Schritt klicken Sie nur auf den Knopf „Go!“ und bekommen auf dem Bildschirm eine Bestätigung mit Ihrem Bestellcode.
Ab dann wird es richtig spannend! Wie lange braucht der KI-Generator, um unsere Bilder zu analysieren und die neuen auszuspucken? Der Hersteller sagt, dass dies je nach gebuchtem Preispaket (und bestimmt je nach Traffic auf den Servern) ein paar Stunden in Anspruch nehmen kann.
Wie bei den meisten KI-Bildgeneratoren im Web ist der Bestellprozess auch bei AI SuitUp überschaubar und mit wenigen Klicks erledigt.
Die Website von AI SuitUp ist übersichtlich aufgebaut. Dort finden Sie sich schnell zurecht und bekommen die nötigen Informationen über die Paketpreise, Nutzungsrechte der Bilder und an wen Sie sich bei Fragen wenden können. Sobald Sie mit der Bestellung beginnen, kommen Sie nach drei einfachen Schritten zum Ergebnis.
Beim ersten Schritt geben Sie Ihre E-Mail-Adresse und Ihr Geschlecht ein, beim zweiten bekommen Sie automatisch Tipps, welche Selfies gut geeignet sind und welche nicht. Bei diesem Schritt laden Sie Ihre eigenen 15 Porträts hoch und wählen eines davon als Hauptreferenz aus. Wenn ein Bild doppelt oder unpassend ist, wird das sofort vermerkt.
Im dritten Schritt sehen Sie die Eingangsbestätigung sowie Ihre Bestellnummer. Je nach ausgewähltem Paket dauert es einige Stunden (bei unserem Professional-Paket waren es ca. 21 Stunden), bis die Ergebnisse fertig sind. Wir hatten den Browser- Tab offen gelassen. Dieser hat sich automatisch aktualisiert, dort erschienen dann die neuen Business-Porträts, die Sie am Ende per Klick als Paket herunterladen können.
Die KI-Ergebnisse
Nach etwa 21 Stunden waren unsere ersten KI-generierten Business-Porträts da. 150 Aufnahmen von einem in der Redaktion vertrauten Gesicht, aber bei diesen Bildern wurde es in Kleidung und Umgebung integriert, die die Porträtierte in der realen Welt nie gesehen hat.
Dafür waren die Ergebnisse erstaunlich gut. Bei manchen wurde die reale Person doch etwas entfremdet – einzelne Details wie Augen, Zähne oder Nase wurden anders dargestellt, ihre Ausstrahlung entsprach nicht der Realität. Die Haare und die Haut wurden oft zu sehr weichgezeichnet, sodass sie unecht wirken.
Besonders spannend wird das Thema, wenn es um die Business-Porträts eines kompletten Unternehmens geht. Denn durch die KI-Bildgenerierung kann eine Firma richtig viel Zeit sparen. Die Porträtierten müssen dabei professionell wirken und die Ergebnisse einheitlich sein.
KI-Generatoren wie z. B. AirBrush bieten an, sowohl individuelle Porträts als auch Fotos für das Team bzw. das Unternehmen zu generieren und versprechen dabei genau diese „einheitliche professionelle Markenidentität“.
Dafür bekommt man aber bezüglich der Kleidung, der Frisur und des Hintergrundes verschiedene Versionen des eigenen Ichs, die zu unterschiedlichen Arbeitsbereichen passen. Die KI weiß ja nicht, ob Sie im IT-, Kultur- oder sozialen Bereich tätig sind. Im Großen und Ganzen gab es dennoch ein paar Bilder, die unsere Redakteurin nun tatsächlich als „echte“ Business-Porträts weiterverwenden kann. Der KI-Generator hat also gute Arbeit geleistet!
Auch bei Plattformen wie z. B. AdobeStock, wo man fertige Fotos von anderen Kreativen erwerben kann, ist die Menge der KI-generierten Bilder in den letzten Monaten enorm gestiegen.
Obwohl die Ergebnisse (noch) etwas zu weichgezeichnet und somit nicht 100 % realistisch wirken, sind sie extrem gut und können (und wurden sicherlich) bereits jetzt bei Werbekampagnen & Co. benutzt.
DigitalPHOTO-Fazit
Wie bei allen Diskussionen um die Nutzung Künstlicher Intelligenz kommen auch hier moralisch-philosophische Fragen auf uns zu. Bin ich das, was der KI-Generator erzeugt hat? Oder ist es eine zusammengerechnete, perfekte (und da es keine makellosen Menschen gibt, eine unreale) Version von mir?
Bekomme ich dadurch ein überoptimiertes Bild meines Ichs? Werden wir mit der Zeit so dazu gedrängt, uns alle auf diese mehr oder weniger gleiche Weise zu präsentieren, wenn wir Erfolg im Job haben möchten? Und nicht zuletzt: Kann man die KI-generierten Ergebnisse überhaupt Fotografien nennen?
Die KI mag ohne großen Aufwand und hohe Materialkosten für uns arbeiten, dennoch kann sie den Menschen auf den Selfies nicht kennen. Sie weiß nicht, welche Ziele wir mit diesen Fotos verfolgen, ob wir damit selbstbewusst oder empathisch wirken möchten. Zumindest noch nicht. Die Ergebnisse mancher KI-Generatoren wie AI SuitUp sind schon beeindruckend. Es bleibt sehr spannend, was in nächster Zeit noch auf uns zukommen wird.