Ratgeber

Um- und Einsteigerkameras: Lohnt sich der Mehrpreis?

DSLRs und CSCs für Um- und Einsteiger bekommt man heutzutage schon für unter 500 Euro. Wer eine etwas bessere Ausrüstung, mehr Bedienkomfort und eine schnellere Auslösung sucht, sollte sich jedoch in der nächsthöheren Kameraklasse umschauen. Doch lohnt es sich, für eine EOS 760D oder D5600 mehr Geld auf den Tisch zu legen? Wir liefern die Antwort!

Wofür braucht man eine große Kamera, wenn man doch sein Smartphone immer dabei hat? Diese Frage beantwortet sich von selbst, wenn man erfolglos versucht, in schlecht beleuchteten Innenräumen oder in der Dämmerung mit der Handy-Kamera vernünftige Fotos zu machen. Oder wenn man sich wünscht, Schärfe und Unschärfe gezielt als Gestaltungselement beim Fotografieren einzusetzen. Aus diesen Gründen entscheiden sich nach wie vor viele Gelegenheitsfotografen, sich eine neue Spiegelreflexkamera (DSLR) oder eine spielgellose Systemkamera (CSC) zuzulegen. Beliebt sind da natürlich vor allem die günstigen Einsteigermodelle zwischen 250 Euro und 600 Euro.

Wer vor den Regalen der Elektronikmärkte steht, wird von der Modellvielfalt in diesem Bereich schier erschlagen. Kein Wunder: Die großen Hersteller bringen im Jahresrhythmus neue Modellversionen auf den Markt. Schauen wir uns nur beispielhaft das Angebot von Canon in dieser Preisklasse an. EOS 1200D, 1300D, 100D, 700D, 750D und 760D – all diese Modelle findet man im Fachhandel aktuell für unter 600 Euro! Am günstigsten ist die 1200D mit einem Preis ab 239 Euro; die 760D kostet 599 Euro. Was alle Kameras verbindet: Sie richten sich gezielt an Ein- und Umsteiger.

Für Gelegenheitsfotografen, die sich eine neue DSLR oder CSC zulegen möchten, stellen sich damit gleich mehrere Fragen: Lohnt es sich wirklich, für ein Einstiegsmodell um die 500 Euro hinzulegen, oder genügt nicht auch das günstigste Modell? Und: Wie unterscheiden sich die Kameras konkret? Am Beispiel von Canon bringen wir Ordnung ins Modellwirrwarr! Canon nutzt für seine DSLRs ein- bis vierstellige Zahlen für seine Typenbezeichnungen. Einstellige Zahlen (wie EOS 5DS) signalisieren, dass sich die Kameras hauptsächlich an Profis richten. Kameras mit zweistelligen Zahlen (wie EOS 80D) sind für den semiprofessionellen Einsatz konzipiert, dreistellige Typenbezeichnungen (wie EOS 760D) tragen Kameras für fortgeschrittene Anwender, während vierstellige Zahlen (wie EOS 1300D) den Einsteigern vorbehalten sind.

Innerhalb der Klassen für Einsteiger und Fortgeschrittene kann man in der Regel an der Größe der Zahl erkennen, welche Modelle neuer und welche älter sind. So ist beispielsweise die EOS 1300D die Nachfolgerin der EOS 1200D. Die EOS 750D und 760D, die zeitgleich herausgekommen sind, lösen hingegen die EOS 700D ab – die wiederum das Nachfolgemodell der EOS 650D war. Doch auch hier gilt: keine Regel ohne Ausnahme! So ist die EOS 100D keineswegs ein besonders altes Schätzchen. Stattdessen handelt es sich bei dem Modell, das 2013 auf den Markt kam, um eine DSLR mit einem besonders kleinen und kompakten Gehäuse.

Wo stecken die Unterschiede?

Welche Kamera neuer und welches Modell für welche Anwender gedacht ist, wissen Sie also jetzt. Doch wichtiger als die Typenbezeichnungen sind natürlich die qualitativen Unterschiede, die zwischen den jeweiligen Kameras bestehen. Hier lohnt ein direkter Vergleich des Einsteigermodells EOS 1300D (ab 289 Euro) und der EOS 750D (ab 578 Euro). Die EOS 1300D bringt eine Auflösung von 18 Megapixeln mit, während die EOS 750D 24,2 Megapixel zu bieten hat. Das bedeutet jedoch nicht, dass automatisch deutliche Qualitätsunterschiede zu erwarten wären. Beide Kameras verfügen über einen APS-C-Bildsensor – was für die Leistungsfähigkeit der Kameras deutlich relevanter ist als die Auflösungsunterschiede. Diese Differenz macht sich nämlich nur bei Ausschnittsvergrößerungen und XXL-Ausdrucken bemerkbar. APS-C-Sensoren kommen im Übrigen bei allen DSLRs und CSCs von Canon mit einem Marktpreis von unter 1.000 Euro zum Einsatz. Hiermit lassen sich die Preisunterschiede also nicht erklären.

Unter der Haube

Doch wofür zahlt man bei der EOS 750D dann diesen erheblichen Preisaufschlag? Ein sichtbarer Unterschied ist das integrierte Kameradisplay. Bei der EOS 1300D ist das in der Diagonale 7,5 cm große Display fest im Gehäuse verbaut. Die EOS 750D bringt hingegen ein „Vari Angle Display“ (7,7 cm) mit. Das bedeutet: Sie können das Display ausklappen und anschließend frei drehen und schwenken. Damit wird es für Sie deutlich komfortabler, Aufnahmen aus ungewöhnlichen Perspektiven zu realisieren. Sie können beispielsweise die Kamera auf den Boden legen und mittels ausgeklapptem Display den gewünschten Bildausschnitt bequem einstellen. Auch Selfies und Gruppenbilder mit Selbstauslöser lassen sich so ganz einfach aufnehmen. Wer hingegen eh nur den optischen Sucher beim Fotografieren nutzt, der kann auf ein klapp- und schwenkbares Display getrost verzichten. Deutliche Unterschiede zwischen der EOS 1300D und der EOS 750D finden sich aber auch unter der Haube. So bringt die 750D mit dem „Digic 6“ einen neueren und deutlich schnelleren Bildprozessor mit als die EOS 1300D (Digic 4+). Der Bildprozessor einer Kamera ist zuständig für die Kamerasteuerung und die automatische digitale Bildbearbeitung. Mit einem schnellen Prozessor lassen sich unter anderem eine kurze Auslöseverzögerung und eine hohe Serienbildgeschwindigkeit erreichen. Das lässt sich auch an den Werten der beiden Kameras ablesen. Mit der EOS 1300D können Sie pro Sekunde maximal drei Bilder aufnehmen, während die 750D bis zu fünf Aufnahmen schafft. Doch ist das überhaupt wichtig? Das kommt darauf an.

Tempo nicht für jeden relevant

Falls Sie Ihre neue Kamera hauptsächlich für schöne Landschaftsaufnahmen im Urlaub nutzen wollen, kann Ihnen die Serienbildgeschwindigkeit herzlich egal sein. Falls Sie hingegen mit Ihrer DSLR Sport- und Actionfotos aufnehmen wollen, kann die Serienbildgeschwindigkeit ausschlaggebend dafür sein, ob Ihnen das perfekte Foto gelingt oder nicht. Immer wenn sich schnell bewegende Motive fotografiert werden sollen, ist ein guter Serienbildmodus ein riesiger Vorteil. Das gilt im Übrigen nicht nur für Sportfotos, sondern auch für Aufnahmen tobender Kinder. Ein weiterer Unterschied zwischen den Leistungsklassen der Canon-DSLRs findet sich beim Autofokus. Höherklassige Kameras bringen nämlich in der Regel mehr Autofokus-Sensoren mit. Während die EOS 1300D beispielsweise neun AF-Felder zur Verfügung stellt, sind es bei der EOS 750 19 AF-Kreuzsensoren. Je mehr Sensoren angeboten werden, desto präziser lässt sich der Fokus auf einen bestimmten Bildbereich legen. Ein weiterer Vorteil: Die automatische Schärfenachführung, wichtig bei sich bewegenden Motiven, funktioniert so deutlich besser. Dass die teureren Modelle eine bessere Ausstattung mitbringen, heißt aber nicht, dass Sie bei einer Kamera wie der EOS 1300D auf sämtlichen Komfort verzichten müssen. So unterstützt sie WLAN und NFC (Near Field Communication). Sie können Bilder nicht nur kabellos übertragen, sondern die DSLR auch mit Ihrem Smartphone fernsteuern. Auch Videos in Full-HD-Auflösung lassen sich mit der Einsteigerkamera aufnehmen, allerdings werden Profis eine Anschlussmöglichkeit für ein externes Mikro vermissen. Soll heißen: Das Komplettpaket darf bei einer Einsteigerkamera nicht erwartet werden.

Lohnt sich der Mehrpreis?

Lohnt es sich also, zu einer Kamera über 500 Euro zu greifen, statt das günstigste Einsteigermodell zu wählen? Diese Frage lässt sich pauschal nicht beantworten. Mit beiden Kameras lassen sich schöne Fotos aufnehmen. Das gilt für weitläufige Landschaftsaufnahmen genauso wie für professionell wirkende Porträtbilder mit unscharfem Hintergrund. Zudem helfen bei diesen Kameras Motivprogramme und eine „intelligente Automatik“ Einsteigern, die sich mit dem Einstellen von Blende und Verschlusszeit (noch) nicht beschäftigen möchten. Wenn der fotografische Schwierigkeitsgrad jedoch steigt, stoßen die Schnäppchen-DSLRs an ihre Grenzen. Dann werden die mangelnde Geschwindigkeit und die Schwächen des AF-Systems zum Problem. Hier liefert die „500-Euro-Klasse“ bessere Ergebnisse – liegt allerdings immer noch deutlich hinter den technischen Möglichkeiten von (semi-)professionellen Kameras zurück!

Wie sieht es bei den CSCs aus?

Bei unserem Kameravergleich haben wir uns zwei DSLR-Modelle von Canon exemplarisch herausgepickt. Beim Mitbewerber Nikon sind die Unterschiede zwischen Kameras wie der Einsteiger-DLSR D3400 und der höherklassigen D5600 ähnlich. Und bei den CSCs? Schauen wir uns hier beispielhaft die Modellpalette von Fujifilm an. Hier können die Kameras in drei Klassen unterteilt werden. Die Einsteiger-Kameras (X-A-Serie), die Mittelklasse-Kameras (X-E- und X-M-Serie) und die Profi-Modelle (X-Pro und X-T-Serie). Eine Ausnahme stellt die X-T10 dar, die im Gegensatz zu den anderen „T-Modellen“ zur gehobenen Einsteigerklasse zählt. In puncto Grundausstattung haben schon die kleinsten CSCs jede Menge zu bieten. So bringen Einsteigermodelle wie die X-A3 und X-A10 jeweils ein schwenkbares Touchscreen-Display mit. Die Auflösung liegt bei der X-A3 bei 24,2 Megapixeln, während die X-A10 „nur“ 16,3 Megapixel zu bieten hat. Eine höhere Versionsnummer ist also auch hier nicht gleichbedeutend mit einer besseren Ausstattung. Beide Kameras setzen auf einen APS-C-Bildsensor. Ansonsten finden sich Unterschiede nur in den Details. So müssen Sie bei der günstigeren X-A10 (ab 550 Euro) anders als bei der X-A3 (ab 560 Euro) auf einen Blitzschuh verzichten. Wer noch bereit ist, etwas mehr Geld auf den Tisch zu legen, bekommt dafür die Einsteiger-CSC, die in unserem Testlabor bislang am besten abgeschnitten hat: die Fujifilm X-T10 (ab 589 Euro). Die Kamera, die im Jahr 2015 auf den Markt kam, führt die CSC-Einsteiger-Bestenliste mit einer Bewertung von 92,49 Prozent nach wie vor an!

Eine attraktive Alternative zu den Fujifilm-Modellen ist die Panasonic Lumix GX80. Die Micro-Four-Thirds-Kamera, die im Handel ab 499 Euro zu haben ist, punktet unter anderem mit Videoaufnahmen im hochauflösenden 4K-Format. Ansonsten ist in dieser Preisklasse eher Full-HD Standard. Ein weiteres Highlight der Kamera ist die „Post Focus Funktion“.

An den Objektivkauf denken

Beim Neukauf einer DSLR oder einer CSC sollten Sie bei Ihrer Budgetplanung immer daran denken, dass die Kamera nur dann ihr Leistungsvermögen ausspielen kann, wenn Sie auch ein hochwertiges Objektiv verwenden. Bei Ein- und Umsteigern sind Kamera-Sets mit beigelegten Kitobjektiven beliebt. So bekommt man ein passendes Objektiv direkt mitgeliefert und kann sofort loslegen. Das Problem: Diese Kitobjektive sind meist nicht sonderlich lichtstark. Das ist für Landschaftsaufnahmen bei Tageslicht nicht relevant. Aufnahmen in der Dämmerung werden Ihnen damit hingegen ohne Stativ misslingen, weil die Kamera die fehlende Lichtstärke mit einer längeren Belichtungszeit ausgleichen muss – was die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass die Fotos verwackeln. Auch hier gilt wieder: Je höher Ihre Ansprüche an Ihre neue Kamera sind, desto eher lohnt es sich, mehr Geld beim Kauf in die Hand zu nehmen – und in diesem Fall lieber auf das Kitobjektiv zu verzichten und direkt zu einer lichtstarken Optik zu greifen!

Den kompletten Ratgeber finden Sie in der DigitalPHOTO 04/2017 für 6,99 Euro.

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Produkthinweis

Nikon AF Nikkor 50 mm 1:1,4D

Fazit

Einen qualitativen Quantensprung darf man bei Kameras der 500-Euro-Klasse im Vergleich zu den absoluten Einstiegsmodellen nicht erwarten. Trotzdem kann es sich für viele Fotografen lohnen, beim Neukauf nicht zu den absoluten Schnäppchen-Kameras zu greifen. Vor allem die höhere Geschwindigkeit und das bessere AF-System sind Argumente, beim Neukauf etwas mehr Geld in die Hand zu nehmen. Wer die Kamera jedoch nur für Urlaubsfotos einplant, wird auch mit Einsteiger-Modellen vollauf zufrieden sein.

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