Alle Naturfotografen kennen das Problem: Die Tiere wollen einfach nicht näher kommen! Daher muss oft das fertige Bild gecroppt werden. Linderung für Nikon-Fotografen schafft nun das neue AF-S Nikkor 800mm. Fotograf und DigitalPHOTO-Autor Dr. Björn K. Langlotz hat das Superteleobjektiv getestet.
In der Tierfotografie kommen häufig Superteleobjektive zum Einsatz. Vor allem in Europa sind meist besonders lange Brennweiten nötig, da die Tiere aufgrund der hohen Siedlungsdichte sehr scheu sind. Typische Superteleobjektive für die Naturfotografie haben Brennweiten um 500-600 mm und selbst diese werden gerne noch mit 1,4-fach-Telekonvertern verlängert.
Enorme Reichweite
Nikon hat mit dem AF-S Nikkor 800mm 1:5,6E FL ED VR ein neues Objektiv der Superlative auf den Markt gebracht. Als Naturfotograf war ich natürlich sofort von diesem Objektiv fasziniert. Die ersten Tests zeigten dann auch schnell das Potenzial dieses Objektivs, Überraschungen, aber auch die Tücken der extremen Brennweite. Schon der erste Blick durch das Objektiv ist beeindruckend: Der niedrige Bildwinkel von nur 3°10‘ an einer Vollformatkamera offenbart eine hohe Reichweite und Konzentration auf das Motiv. Durch die Verwendung des mitgelieferten und individuell auf das gekaufte Objektiv abgestimmten Telekonverters TC800-1,25ED erhält man eine enorme Reichweite – insbesondere an einer Kamera mit Crop-Sensor. Dabei bleibt der Autofokus mit aktuellen Nikon-Kameras wie der D4 und D800(E) erhalten. Ähnlich faszinierend wie die Reichweite des Objektivs ist auch die Leistungsfähigkeit des Autofokus, der es mit dem mittlerer Teleobjektive aufnehmen kann. Entsprechend starke Motoren hat Nikon verbaut. So war es spielend möglich, Vögel im vollen Flug erfolgreich anzufokussieren und über eine längere Distanz scharf zu halten
Scharf trotz enormer Brennweite?
Ich möchte jedoch hier nicht verschweigen, dass die enorme Brennweite auch ihre Nachteile birgt. Denn durch den engen Bildwinkel ist das Anpeilen schnell bewegter Motive sehr schwierig. Insbesondere in der Vogelfotografie ist es nicht trivial, das Motiv überhaupt zu treffen. Darüber hinaus muss zwingend ein sehr gutes Stativ verwendet werden, wenn man nicht mit Belichtungszeiten deutlich kürzer als 1/1000 s fotografieren kann. Nach meinen bisherigen Tests eignen sich nur die Gitzo Systematic Stative der Serie 4 oder besser 5 aus Carbon (www.gitzo.de) und einige Berlebach-Stative mit Tragfähigkeiten um 50 kg (www.berlebach.de). Man darf sich also nicht von der theoretischen Belastbarkeit eines Stativs verleiten lassen. Bei Stativen mit einer geringeren Belastbarkeit muss der Bildstabilisator angeschaltet werden, was aber aufgrund der ungünstigen Schwingungsdämpfung der überforderten Stative meist nicht zu guten Ergebnissen führte. Meist schaukelten sich Vibrationen im Serienbildbetrieb derart auf, dass der Bildstabilisator nach spätestens zehn Aufnahmen die Schwingungen nicht mehr dämpfen konnte. Dieses Phänomen ist nicht ungewöhnlich und von anderen Superteleobjektiven mit 500-600 mm Brennweite bekannt.
Aus der Hand aufnehmen
Sehr überraschend war die Möglichkeit, mit dem AF-S Nikkor 800mm tatsächlich aus der Hand zu fotografieren. Durch die Bauweise mit einem weit hinten liegenden Schwerpunkt für ein Superteleobjektiv ist die Handhabung trotz des hohen Gewichts von etwas weniger als 6 kg (inkl. Kamera mit Akkus) überraschend gut. Der eingebaute Bildstabilisator erkennt selbständig, ob die Kamera auf einem Stativ sitzt oder aus der Hand fotografiert wird. Entsprechend wird die Funktionsweise des Stabilisators verändert. So war es möglich, kritisch scharfe Aufnahmen bei einer Verschlusszeit von etwa 1/320 s zu erhalten (Bild oben links). Auch die Verwendung mit einem Bohnensack war problemlos möglich, wenn der Bildstabilisator aktiviert war. Ohne Bildstabilisator war hier allerdings ohne Spiegelvorauslösung nur mitschnellen Verschlusszeiten ein kritisch scharfes Bild zu erhalten.
Fazit: Alles super, nur der Preis stört
Alles in allem ist es beeindruckend zu sehen, was Nikon mit diesem Objektiv auf die Beine gestellt hat. Bei all der Faszination von Reichweite und Geschwindigkeit bleibt auch die Bildqualität nicht auf der Strecke. An meiner Nikon D800E habe ich bisher kein Teleobjektiv gesehen, das so scharfe Aufnahmen erzeugt. Selbst mit dem Telekonverter war praktisch kein Qualitätsverlust zu erkennen. Einziges Manko der Nikon-Supertelelinse bleibt der Preis von 17.129 Euro inklusive Telekonverter. Dieser macht das Objektiv leider nur für wenige Profis und absolute Enthusiasten mit dem nötigen Kleingeld erschwinglich.