Die Kameras, wie wir sie heute kennen, wird es bald nicht mehr geben - zu diesem Schluss kommt der Photoindustrie-Verband in einer umfassenden Analyse der heutigen Imaging-Forschung. Die Zukunft gehört Sensoren mit künstlicher Intelligenz, die auch Objektive überflüssig machen sollen.
„Die Bildsensoren, so wie sie heute millionenfach zum Einsatz kommen, gehören in absehbarer Zeit der Vergangenheit an“, ist sich Christian Müller-Rieker, Geschäftsführer Photoindustrie-Verband (PIV) sicher. Den Grund sieht der Expertenverband in der stetigen technischen Weiterentwicklung. Ein großes Ziel der Forschung ist es, dass Sensoren nicht mehr alle Informationen verarbeiten müssen, die sie auslesen, sondern die Bedeutung von dem, was sie sehen, selbst erkennen - so wie das menschliche Auge.
Müller-Rieker nennt als Beispiel das Google-Projekt "Tango", das Kameras in mobilen Geräten ermöglicht, ihre relative Position zur Außenwelt zu ermitteln. Durch spezielle Algorithmen für maschinelles Erkennen, dem sogenannten "Machine Vision", werden Kameras zukünftig wissen, was sie sehen. Eine Kamera könnte so in einem Innenraum Boden und Decken erkennen: "Mit diesen Sensoren können Smartphones beispielsweise Räume vermessen und mit virtuellen Möbelstücken aus Internetkatalogen einrichten“, berichtet Christian Müller-Rieker. Durch diese bessere Auswahl von Informationen sollen die Kameras der Zukunft zukünftig auch ohne Objektive auskommen.
Kameras der Zukunft ohne Objektiv?
An einer entsprechenden Technik namens "Compressive Sensing" forschen derzeit vor allem die Nokia Bell Labs mit Hauptsitz in New Jersey. Hier wurde 1969 der erste CCD-Sensor der Welt entwickelt und 2013 die erste objektivlose Kamera. Traditionelle Kameras nehmen alles auf, was durch das geleitete Licht über Blendenöffnung und Objektive im Inneren ankommt. Die Daten, die nun zu einer Datei komprimiert werden, sind aber größtenteils überflüssig. Bei einer objektivlosen Kamera trifft das Licht zuerst auf ein transparentes LCD, das die Informationen nach Lichtfarbe sortiert und lediglich die für das Bild benötigten Daten an einen nur einen Pixel großen Sensor weitergibt. Noch benötigt diese Art der Bildberechnung viel Zeit und die Bildresultate sind noch sehr grob, doch erinnert man sich an die ersten digitalen Aufnahmen, ist eine Verfeinerung der Technik nur noch eine Frage der Zeit.
"Sollte dieses inzwischen schon einige Jahre bekannte Verfahren der Bilderfassung tatsächlich das Stadium der industriellen Fertigung erreichen, könnte es dem Imaging Markt superflache, extrem kompakte und durch den Verzicht auf Objektive auch preislich günstige Kamerakonstruktionen bescheren“, ist sich Müller-Rieker sicher. Weitere Technologien, die Kameras für immer verändern könnten, sind organisch aufgebaute Sensoren, an denen Sony bereits forscht. Sie bieten einen Dynamikumfang, der bis zu hundertfach größer ist, als ihn die heutigen, silikonbasierten Modelle leisten können.
Durch den Ausbau intelligenter Kameras, die durch ihre geringe Größe in alle möglichen Geräte verbaut werden können, sieht Müller-Rieker auch eine grundlegende Änderung in der Bedeutung der kreativen Fotografie: "Von einer Familie in ihren Autos, Kühlschränken, Überwachungsanlagen und anderen Geräten genutzten Kameras werden bei weitem, die Zahl der von den Personen genutzten, fotografischen Aufnahmegeräte eines Haushalts in naher Zukunft übersteigen."
Quelle: PVI