Das erschütternde Bild des erschossenen Nashorns von Brent Stirton ging um die Welt. Der Fotograf aus Südafrika gewann damit den prestigeträchtigen Award Wildlife Photographer of the Year 2017. Lesen Sie hier, wie es zu der Aufnahme kam und welche anderen Bilder es bei dem Wettbewerb ganz nach oben schafften.
Fujifilm X-T1, Fujifilm-Objektiv 50 – 140mm bei 140mm;
1/75 Sek. bei Blende 2,8 (–1,3 e/v); ISO 3200. (Bild: Peter Delaney, Irland/Südafrika/ WPOTY) Tagtraum Tierporträts
Totti gab sich wirklich Mühe. Mehr als eine Stunde lang posierte er, gestikulierte und rief, um ein ganz bestimmtes Weibchen vom Baum herunterzulocken, aber ach: vergebens! Das Objekt seiner Begierde ignorierte ihn. Das frustrierte auch Peter. Er hatte einen langen, anstrengenden Vormittag damit verbracht, den Schimpansen – die gesamte Gruppe zählte rund 250 Tiere – durch den Kibale-Nationalpark in Uganda zu folgen. Es war feucht, der Boden war nass, und durch das dichte Unterholz konnte er meist nur noch einen Blick auf die Schimpansen erhaschen. Aber nur, wenn es ihm tatsächlich einmal gelang, die Gruppe einzuholen, deren Mitglieder sich von Ast zu Ast schwangen. »Wenn man in einem Regenwald fotografiert, in dem es abgesehen von den Sonnenlichttupfern eher dunkel ist, wechseln die Belichtungseinstellungen andauernd. Optimale ISO-Werte bedeuteten lange Verschlusszeiten, und da im Park keine Stative erlaubt sind, war es schon eine echte Herausforderung, die Aufnahmen nicht zu verwackeln «, erzählt Peter. Immerhin befand sich Totti auf dem Boden des Waldes, wo er allerdings mit heftigem Werben, Umherlaufen und Gestikulieren beschäftigt war. Erst als er sich schließlich niederließ, erschöpft von der vergeblichen Liebesmühe, bekam der Fotograf seine Chance: »Der Schimpanse legte sich auf den Rücken, verschränkte die Hände hinter dem Kopf und ruhte sich einen Augenblick aus – als malte er sich aus, was ihm entgangen war.«
Nikon D810, Nikon-Objektiv 15mm f2,8; 1/100 Sek. bei
Blende 14; ISO 400; Nauticam-Unterwassergehäuse;
zwei Ikelite-DS161-Blitzgeräte. (Bild: Justin Gilligan, Australien / WPOTY) Krabbenüberraschung Verhalten - Wirbellose
Wie aus dem Nichts tauchte plötzlich eine gewaltige Ansammlung von Dreieckskrabben, auch See- oder Meerspinnen genannt, auf und bedeckte eine Fläche von der Größe eines Fußballfelds. Im Grunde ist eine solche Anhäufung der Tiere in australischen Gewässern keine Seltenheit – vermutlich setzen sie auf den Schutz in der Gruppe, wenn sie sich häuten wollen –, doch hat man in der Mercury Passage vor der Ostküste Tasmaniens noch nie welche gesehen.
Justin wurde von dem Aufmarsch überrascht, als er gerade ein von der University of Tasmania in Auftrag gegebenes Experiment zum Verpflanzen von Seetang dokumentierte. Eine einzelne Dreieckskrabbe nimmt man kaum wahr, weil die Algen und Schwämme auf ihrem Panzer eine ausgezeichnete Tarnung bieten. Diese »Armee« allerdings, die alles fraß, was sie auf dem sandigen Meeresgrund fand, war nicht zu übersehen. »Etwa 15 Minuten später fiel mir ein seltsamer Umriss in der Ferne auf, der sich mit der krabbelnden Masse bewegte«, berichtet Justin: ein Maorikrake, wie sich herausstellte, der von der unerwarteten Fülle ebenfalls entzückt schien. Der ist zwar auch nicht gerade klein – der größte Krake der südlichen Hemisphäre hat eine Spannweite von bis zu drei Metern, ausgesprochen muskulöse Fangarme und eine knotige Haut mit weißen Flecken –, hatte aber durchaus Schwierigkeiten, eine der Krabben zu fangen. Zum Glück für Justin war das Wasser zu diesem Zeitpunkt klar, und der Sand am Meeresboden reflektierte das Sonnenlicht. So konnte er die Kameraeinstellungen genau an den Augenblick anpassen, in dem der Krake doch noch Beute machte.
Canon EOS-5DS R, Nikon-Objektiv 14 – 24mm f3,5 und Fotodiox-Adapter und ND-Filter;
30 Sek. bei f3,5; ISO 5000; zwei Metz-32-Blitzlichter und Diffusor; Manfrotto-Stativ. (Bild: Marcio Cabral, Brasilien / WPOTY) Plünderer in der Nacht Tiere in ihrem Lebensraum
Die Regenzeit hatte gerade begonnen, doch trotz der feuchten Nacht waren kaum Wolken am sternenübersäten Himmel zu sehen. Ebenso wie die Sterne funkelte auch der Termitenhügel, vor dem unzählige intensiv grüne Lichter aufblitzten. Genau darauf hatte Marcio seit drei Regenzeiten gewartet und beim Campen in der Cerrado-Region in der riesigen baumlosen Savanne des brasilianischen Nationalparks Emas auf die richtigen Bedingungen gehofft. Sie entstehen, wenn sich geflügelte Termiten in die Luft begeben, um sich zu paaren. Dann nämlich lassen die Larven der Schnellkäfer, die in den äußeren Schichten des Termitenhügels leben, ihre biolumineszenten »Scheinwerfer« aufleuchten, mit denen sie Beute anlocken – die fliegenden Termiten.
Nachdem es tagelang geregnet hatte, gelang es Marcio schließlich, das Phänomen abzulichten – und er bekam noch ein Überraschungsgeschenk dazu. Aus der Dunkelheit spazierte ein Großer Ameisenbär, der den Fotografen in seinem Versteck nicht bemerkt hatte, auf den hohen, betonharten Hügel zu. Er bearbeitete ihn mit seinen kräftigen Klauen, um an die Termiten tief im Inneren ihrer Behausung heranzukommen. Er leckt sie mit seiner außergewöhnlich langen, klebrigen Zunge einfach auf, während ihn das lange Fell und die gummiartige Haut vor ihren Bissen schützen. Sehen können Ameisenbären nicht besonders gut. Dafür besitzen sie jedoch einen ausgezeichnet entwickelten Geruchssinn, mit dem sie beispielsweise Insekten genauestens lokalisieren können. Zum Glück stand der Wind günstig, und der Ameisenbär blieb so lange, bis Marcio sein Foto gemacht hatte – mit Weitwinkelobjektiv, um auch die Landschaft einzufangen, sanftem Blitzlicht und einer langen Belichtungszeit, damit sowohl die Sterne als auch die leuchtenden Käferlarven voll zur Geltung kamen.
Canon EOS-5D Mark III, Canon-Objektiv 15mm f2,8; 1/250 Sek. bei Blende 6,3; ISO 800;
Zillion-Unterwassergehäuse und Pro-One-Dome-Port. (Bild: Tony Wu, U. S. A. / WPOTY) Riesentreffen Verhalten - Säugetiere
Vor der Nordostküste Sri Lankas stapelten sich geradezu Unmengen lautstarker Pottwale. Tony konnte gar nicht erkennen, wie tief die Tiere in das Wasser hinabreichten. Hier ging zweifelsohne etwas ganz Besonderes vor sich, eine Versammlung von Dutzenden, wenn nicht Hunderten der Meeressäuger, die sich zu sozialen Verbänden zusammenschließen, wie ein Treffen von Clans. Pottwale sind intelligent, langlebig und gesellig. Tiere aus unterschiedlichen Verbänden spielen, fressen, interagieren und kommunizieren auf verschiedene Weise miteinander und zeichnen sich auch sonst durch eine ganz eigene Kultur aus. Versammlungen wie diese könnten für ihr reiches Sozialleben ausgesprochen wichtig sein, sind aber kaum dokumentiert.
Rund zwei Drittel der Pottwalpopulation wurden in der Spitzenzeit des industriellen Walfangs im 20. Jahrhundert ausgelöscht. Da der kommerzielle Walfang seit 1986 verboten ist, könnte eine so große Ansammlung ein »Anzeichen dafür sein, dass sich die Bestände wieder erholen«, hofft Tony, der 17 Jahre damit verbracht hat, Pottwale zu studieren und zu fotografieren. Die Berührung gehört zum sozialen Leben der Tiere unbedingt dazu, hat aber auch noch einen ganz praktischen Nutzen: Dabei reiben sie abgestorbene Haut aneinander ab; im Wasser trieben zahlreiche Hautpartikel. Eine noch größere fotografische Herausforderung stellten die öligen Sekrete der Wale dar, die das Gehäuse der Kamera verschmierten, sowie die dichten Wolken aus Kot, die die Tiere freisetzten, wenn sie sich in der riesigen Gruppe bewegten. Doch durch Tonys konstanten Stellungswechsel und nicht zuletzt die Geduld der Wale selbst gelang ihm die einzigartige Aufnahme dieses mysteriösen Treffens im Indischen Ozean.
Nikon D700, Nikon-Objektiv 80 – 200mm f2,8 bei 120mm; 1/500 Sek. bei Blende 3,2; ISO 400. (Bild: Aaron Gekoski, UK/USA / WPOTY) An den Rand gedrängt Naturfotojournalist des Jahres: Einzelfoto
Auf der Insel Borneo bahnen sich im östlichen Sabah drei Generationen von Borneo-Zwergelefanten ihren Weg über die Terrassen einer Palmölplantage, die zur Wiederbepflanzung gerade gerodet wird. Palmöl ist weltweit ein lukratives Geschäft. Im malaysischen Bundesstaat Sabah wurde der Großteil des Regenwalds bereits abgeholzt – es sind nur acht Prozent davon geschützt und daher intakt geblieben. Die Palmölindustrie ist nach wie vor der Hauptgrund für die Abholzung. Das führt dazu, dass die dort lebenden Elefanten in immer kleinere Nischen des Waldes eingepfercht werden. Sie müssen sich ihr Futter zunehmend auch auf den Palmölplantagen suchen, was Konflikte mit dem Menschen vorprogrammiert: Häufig werden die Tiere vergiftet oder einfach abgeschossen. Im Jahr 2013 sind auf einer einzelnen Plantage 14 Elefanten an den Folgen einer Vergiftung gestorben. Den einzigen Überlebenden, ein Kalb, fand man, wie er die Stoßzähne der toten Mutter liebkoste. Andererseits mehren sich auch Berichte über Elefanten, die Menschen angreifen. Heute wird die zersplitterte Population der Borneo-Zwergelefanten auf höchstens 1000 bis 2000 Tiere geschätzt. Die Dickhäuter gelten als Unterart des Asiatischen Elefanten, die möglicherweise für mehr als 300 000 Jahre auf der Insel isoliert blieb. Diese großen Säugetiere knüpfen starke soziale Bande, die Weibchen bleiben oft ihr ganzes Leben lang zusammen.
Die Gruppe auf dem Bild umfasst wahrscheinlich die Matriarchin – die Leitkuh –, zwei ihrer Töchter und ein Enkelkalb. Angesichts des schnell schwindenden Lichts musste Bertie sich beeilen, um ein Foto zu komponieren, das die Auswirkungen unserer unersättlichen Nachfrage nach Palmöl auf Umwelt und Tiere zeigt. Der Rohstoff ist in der Hälfte aller Produkte enthalten, die sich auf unseren Supermarktregalen tummeln. »Die Elefanten drängten sich zusammen und wirkten vor der verwüsteten, entweihten Landschaft geradezu winzig«, resümiert Bertie. »Das Bild verfolgt mich.«
(Bild: Eilo Elvinger, Luxemburg / WPOTY) Schandfleck Natur in Schwarz-Weiß
Von ihrem Schiff aus, das in den eisigen Gewässern vor Spitzbergen im arktischen Norwegen vor Anker lag, erspähte Eilo in der Ferne eine Eisbärin und ihr zwei Jahre altes Junges, die langsam näher kamen. Eigentlich sind Eisbären Jäger – ihre Hauptbeute sind Robben –, die Fleisch schon aus fast einem Kilometer Entfernung wittern können, sie lassen aber auch andere günstige Gelegenheiten nicht aus. Während sie sich dem Schiff näherten, wurden sie durch eine Stelle auf dem Schnee abgelenkt, auf der offenbar etwas aus der Kombüse ausgelaufen war, und begannen, die Flüssigkeit aufzulecken. »Ich schämte mich für das, was wir in der makellosen Landschaft hinterlassen hatten«, gesteht Eilo, »und dafür, wie es das Verhalten der Bären beeinflusste.« In spiegelbildlicher Position, die Hinterbeine aneinandergepresst – das Junge ist rechts zu sehen –, kosteten sie gleichzeitig von dem Schnee. Derart breite Pfoten geben ausgezeichnete Paddel ab und verhelfen den Bären zu einem festen Stand auf dünnem Eis. Die eindrucksvollen Klauen, die nicht eingezogen werden können und über fünf Zentimeter lang sind, fungieren zusätzlich als Spikes. Weil sie um den schwindenden Lebensraum der großen Beutegreifer weiß – durch den Klimawandel schmilzt das Meereis in der Arktis, das Eisbären zum Überleben brauchen –, wählte Eilo einen engen Bildausschnitt und eine Schwarz-Weiß-Aufnahme, damit »sich die Verschmutzung wie ein Schatten auf der jungfräulichen Umgebung abzeichnet«.
(Bild: Ashleigh Scully, USA / WPOTY) Vergebliche Mühe Junge Naturfotografen: 11–14 Jahre
Tiefer Schnee bedeckte das Lamar Valley im Yellowstone-Nationalpark, der Tag war kalt, der Himmel bewölkt. Der weibliche Amerikanische Rotfuchs jagte neben der Straße, lautlos lief er über die verkrustete Oberfläche des Schnees. Hin und wieder blieb die Füchsin stehen, starrte in die Leere, neigte den Kopf von einer Seite zur anderen und lauschte aufmerksam, ob sich unter der Schneedecke nicht etwa Beute bewegte, vielleicht eine Wühlmaus. Ashleigh war ebenso gespannt, ihr Kameraobjektiv ruhte auf einem Bohnensack im Rückfenster des Autos. Gerade als die Füchsin auf gleicher Höhe mit dem Auto war, hielt sie wieder inne, lauschte, duckte sich – und sprang dann hoch in die Luft. Sie landete mit Nase und Vorderläufen voran im Schnee und verharrte, das Hinterteil nach oben gestreckt, etwa zehn Sekunden so. Sie bewegte den Schwanz leicht vor und zurück, bevor sie sich mit den Hinterläufen aus dem Loch stemmte.
Ashleigh fotografiert Füchse schon seit vielen Jahren – meist in der Nähe ihres Zuhauses – und fing die ganze Sequenz ein. »Es war lustig, stimmte mich aber auch nachdenklich zu sehen, wie sehr sich die Füchsin für eine Mahlzeit anstrengen musste. Ich wünschte ihr von ganzem Herzen Jagdglück.« Das hatte sie leider nicht. Und so illustriert das Bild aus Ashleighs Sicht »die harte Realität des winterlichen Lebens in Yellowstone«. Canon EOS-7D Mark II, Canon-Objektiv 500mm f4; 1/640 Sek. bei Blende 5,6 (+1,7 e/v); ISO 1000
Canon EOS-650D, Canon-Objektiv 70 – 200mm f4 bei 100mm;
1/100 Sek. bei Blende 5,6 (–1 e/v); ISO 200; Manfrotto-Stativ. (Bild: Dorin Bofan, Rumänien / WPOTY) Gobelin des Lebens Das Reich der Pflanzen und Pilze
Es war ruhig an diesem Morgen, das Licht stand tief, als Dorin allein am Ufer des Fjords stand. Er bewunderte die gewaltige Landschaft der zu den norwegischen Lofoten gehörenden Insel Hamnøy, als sich plötzlich Lücken zwischen den Wolken auftaten und einzelne Sonnenstrahlen auf das metamorphe Gestein fielen. Sie beleuchteten die breiten Streifen der Vegetation, die die Schlucht und ihre felsigen Abhänge bedeckten. Die Berge ragen hier steil aus dem Meer empor – an manchen Stellen fallen sie 200 Meter tief ab –, und doch gelingt es den Zwergbirken, sich am Untergrund festzukrallen und sich an höchst unwahrscheinlichen Stellen ans Dasein zu klammern.
Die Bergvarietät der Moorbirke ist, wie der Name schon sagt, relativ klein und glüht hier golden in ihren Herbstfarben. Der Boden unter ihr ist zu einem großen Teil von Zwergweidenarten übersät. Von der sanften Krümmung am Fuß der Fels- wand – in Dorins Worten »wie der moosüberwucherte Stamm eines uralten Baumes in einem feuchten, uralten Wald« – fühlte sich der Fotograf besonders angezogen. Er wartete, bis eine Lücke in der Wolkendecke den Pflanzenteppich in seiner ganzen arktisch-alpinen Pracht erstrahlen ließ, und machte sein Foto. Ein kurzer Augenblick in einer Landschaft, in der Zeit keine Rolle zu spielen scheint.
Nikon D5, Nikon-Objektiv 17 – 35mm f2,8 bei 24mm; 10 Sek. bei Blende 8; ISO 1600; Nikon-Blitzlicht mit 1/64 seiner Leistung und Tungsten-Gel (Bild: Brian Skerry, USA / WPOTY) Urzeitliches Ritual Verhalten – Amphibien und Reptilien
Wie Generationen vor ihr schiebt diese Lederschildkröte ihr ansehnliches Gewicht mit ihren übergroßen, kräftigen Vorderflossen unermüdlich über den Strand zurück ins Meer. Lederschildkröten sind die größten, am tiefsten tauchenden und am weitesten schwimmenden Meeresschildkröten, die es gibt – und obendrein die einzigen Überlebenden einer Abstammungslinie, die sich vor 100 bis 150 Millionen Jahren von anderen Meeresschildkröten abgezweigt hat. Den Großteil ihres Lebens verbringen sie im Meer, viel weiß man über die Tiere bislang nicht. Wenn die Weibchen geschlechtsreif sind – ihr ledriger Panzer erreicht dann eine Länge von durchschnittlich 1,60 Meter –, kehren sie an den Strand zurück, an dem sie selbst geschlüpft sind, um dort ihre Eier abzulegen.
Das Sandy Point National Wildlife Refuge auf Saint Croix, das zu den Amerikanischen Jungferninseln gehört, bietet den Tieren einen überaus wichtigen Lebensraum zum Nisten, der schon seit Jahrzehnten erfolgreich überwacht und geschützt wird. Andernorts haben die Lederschildkröten nicht so viel Glück und landen meist als Beifang in Fischernetzen. Aber auch der illegale Handel mit ihrem Fleisch, die Erschließung der Küstenregionen und der Klimawandel machen ihnen zu schaffen. Die Weibchen legen ihre rund 100 Eier in tief in den Sand gegrabene Nester ab. Etwa 60 Tage später schlüpfen die Jungen, deren Geschlecht von der Bruttemperatur bestimmt wird (in wärmeren Nestern schlüpfen mehr Weibchen). Man sieht an Sandy Point nicht jede Nacht nistende Schildkröten, und wenn Brian welche sah, waren sie meist zu weit weg. Als er nach zwei Wochen endlich das Bild machen konnte, das er sich vorstellte – unter klarem Himmel, ohne die Lichter der Stadt in der Ferne –, entschied er sich für eine lange Belichtung ohne Stativ. Das Licht des Vollmonds verleiht der Szene einen zusätzlichen zeitlosen oder urzeitlichen Touch.
Nikon D4S, Nikon-Objektiv 13mm f2,8; 1/30 bis 1/60 Sek. bei Blende 6,3; 147 aneinandergestitchte Aufnahmen; ISO 3200; Seacam-Unterwassergehäuse; Blitzlichter. (Bild: Laurent Ballesta, Frankreich / WPOTY) Das Eismonster Lebensraum Erde
Laurent und sein Expeditionsteam betrachteten ehrfurchtsvoll die Ausmaße der Eisblöcke – berghohe Stücke von Schelfeis –, im Bewusstsein, dass nur etwa zehn Prozent der Gesamtmasse über Wasser sichtbar sind. Die Taucher arbeiteten von der französischen Forschungsstation Dumont d’Urville in der östlichen Antarktis aus und wollten die Auswirkungen der globalen Erwärmung filmisch und fotografisch dokumentieren. Die Eisschelfe in manchen Teilen des »East Antarctic Ice Sheet« (EAIS) schmelzen schneller als bislang angenommen, was das Abrutschen von Landeis ins Meer und einen dramatischen Anstieg des Meeresspiegels zur Folge haben könnte.
Als Laurent diesen eher kleinen Eisberg sah, witterte er sofort die Chance, sich einen lang gehegten Traum zu erfüllen: erstmals den unter Wasser verborgenen Teil abzulichten. Der Eisberg steckte im Eisfeld fest, schwebte dort wie ein gefrorener Planet, konnte sich nicht drehen und ließ sich deshalb relativ sicher erkunden. Dennoch dauerte es drei Tage in buchstäblich eiskaltem Wasser, die Umgebung zu prüfen, Seile vom Meeresboden zu Bojen über Wasser zu spannen, damit Laurent einen festen Abstand zu dem Eisberg einhalten konnte, um schließlich mit einem Weitwinkelobjektiv eine umfassende Serie von Aufnahmen zu machen. »Keiner von uns konnte den Eisberg unter Wasser vollständig sehen. Aus der Nähe war er dazu einfach zu groß. Und aus der Ferne verschwand er im Nebel.« Daher warteten die Wissenschaftler am Computer der Forschungsstation gespannt darauf, welches Gesamtbild die 147 gestitchten Aufnahmen wohl ergeben würden. Die Vorderseite des riesigen Fußes an diesem Eismonster, der von der Strömung wahrscheinlich schon jahrelang glatt poliert wurde, leuchtete im Licht, das die Eisdecke durchdrang, blau und türkisfarben und ließ Laurents Teamkollegen zu Zwergen schrumpfen.
Canon 7D Mark II, Canon-Objektiv 18 – 200mm f3,5; 1/1000 Sek. bei Blende 9; ISO 1600; zwei Yongnuo-Speedlite-Blitzlichter und Funkauslöser. (Bild: Gerry Pearce, UK / Australien / WPOTY) Der Brutkastenvogel Verhalten - Vögel
Die meisten Vögel brüten ihre Eier mit Körperwärme aus. Nicht so das australische Buschhuhn, einer von wenigen Vögeln – die sogenannten Großfußhühner –, die dazu einen Brutkasten verwenden. Es sind ausschließlich die Männchen, die das Bebrüten überwachen, und dieses hier hatte sich für einen Nisthügel in der Nähe von Gerrys Haus in Sydney an der Grenze zum Garigal-Nationalpark entschieden. Einen Monat lang hatte es eine Art Komposthaufen aus Blättern, Erdreich und anderem organischem Material errichtet, nun türmte sich der Bau über einen Meter hoch auf. Nisthügel, die Jahr für Jahr wiederverwendet werden, können mehr als vier Meter breit und zwei Meter hoch sein. Wenn das Buschhuhn mit dem Nest fertig ist, lädt es mehrere Weibchen nacheinander zur Paarung ein. Wenn diese an ihm und seinem Nisthügel Gefallen finden, legen sie Eier darin ab. Es besteht zwar immer die Chance, dass einige der Eier vorher von einem anderen Männchen befruchtet worden sind, doch dafür ist es auch möglich, dass einige seiner Jungen im Nisthügel eines anderen Männchens schlüpfen. Durch das Verrotten des organischen Materials im Hügel entsteht Wärme, weswegen das Buschhuhnmännchen regelmäßig den Kopf hineinsteckt, um zu kontrollieren, ob die Bruttemperatur auch die notwendigen 33 °C beträgt. Dafür muss es einen Schnabelvoll Material prüfen, da sein Oberschnabel mit Wärmesensoren ausgestattet ist.
Auf dem Bild scharrt das Männchen gerade etwas isolierendes Material zusammen, um die Temperatur im Haufen zu erhöhen. Wenn im Nisthügel mehr als 33 °C herrschen, nimmt es wieder etwas davon weg. Gerry beobachtete das Buschhuhn und seinen Nisthügel vier Monate lang, Tag für Tag, von morgens bis abends. Nach sieben Wochen waren aus mindestens einem Viertel der etwa 20 Eier Junge geschlüpft – trotz mehrfacher Angriffe vonseiten eines Buntwarans. Die großen Küken sind kräftig genug, um sich ihren Weg aus der Schale heraus und durch den Komposthaufen hindurch nach oben zu treten – bloßes Picken wie bei anderen schlüpfenden Vögeln würde hier nicht viel bewirken. Zu diesem Zeitpunkt sind sie schon absolut selbstständig und verlassen den Bau, um ein eigenes Leben im Busch zu beginnen.
Nikon D810, Nikon-Objektiv 60mm f2,8; 1/250 Sek. bei Blende 22 (−0,3 e/v); ISO 64; Nauticam-Unterwassergehäuse und Nauticam-SMC-1-Super-Makrokonverter;
Inon-Z-240-Blitzgeräte. (Bild: Anthony Berberian, Frankreich / WPOTY) Der Quallen-Jockey Unterwasserwelten
Im offenen Meer weit vor der Küste Tahitis in Französisch-Polynesien taucht Anthony regelmäßig nachts mehr als zwei Kilometer tief. Er will dabei die Geschöpfe der Tiefsee fotografieren, winzige Kreaturen, die im Schutz der Dunkelheit an die Oberfläche steigen, um Plankton zu fressen. Diese Hummerlarve mit einem Durchmesser von nur 1,2 Zentimetern, den spinnenartigen Beinen, dem abgeflachten, durchsichtigen Körper und den Stielaugen befindet sich im sogenannten Phyllosoma-Stadium. Sie umklammert den Schirm einer Leuchtqualle und lässt sich mit ihr in der Strömung treiben. So spart die Hummerlarve Energie und schützt sich vor Fressfeinden möglicherweise durch die Nesseln der Qualle, während diese ihren eigenen Panzer vermutlich nicht durchdringen können. Auf dem Foto scheint die Larve ihren Träger zu steuern, als sie sich mit hoher Geschwindigkeit von Anthony fortbewegt. Seltsamerweise besaß die Qualle nur noch wenige Nesseln, was darauf schließen ließ, dass der kleine Mitfahrer sie obendrein als Snack missbrauchte. Tatsächlich ist der Darmtrakt der Hummerlarve darauf angelegt, die Nesseln verdauen zu können: Er ist mit einer speziellen, undurchdringlichen Membran ausgekleidet.
Bei seinen mehreren hundert nächtlichen Tauchgängen stieß Anthony nur wenige Male auf Hummerlarven, und es dauerte auch eine Weile, bis er endlich das Bild von dem Quallen-Jockey bekam, das er sich vorgestellt hatte: das Porträt eines Meeresbewohners, den man in seinem natürlichen Lebensraum nur selten sieht.
Nikon D90, Nikon-Objektiv 18 – 70mm f3,5 – 4,5 bei 18mm;
1/320 Sek. bei Blende 11 (+0,7 e/v); ISO 400. (Bild: Ekaterina Bee, Italien / WPOTY) Neugierige Silbermöwen Junge Naturfotografen: 10 Jahre und jünger
Natur fasziniert. Zum ersten Mal hantierte sie im Alter von vier Jahren mit einer Kamera. Doch auf der Schiffsreise vor der Küste Zentralnorwegens interessierte sie sich im Gegensatz zu den anderen nicht für die Seeadler, sondern für die Schwärme von Silbermöwen, die dem kleinen Gefährt folgten, als es den Hafen verließ. Sie waren auf Futter aus und kreisten Ekaterina förmlich ein, sobald sie ihnen etwas Brot zugeworfen hatte. Zuerst flößten ihr die frechen Vögel und ihre scharfen Schnäbel etwas Angst ein, doch schon bald vergaß sie ihre Furcht und war wie gebannt vom Geschrei, dem Schlagen der Flügel und den farbenfrohen Füßen und Schnäbeln, die aus dem Wirbel weißer Federn hervorblitzten. Sie machte an diesem Tag viele Fotos, dieses aber gefällt ihr am besten: Sie mag es, wie die Vögel den weißen Himmel ausfüllen, und ihr gefällt der Gesichtsausdruck des Vogels im Hintergrund. »Er wirkte so neugierig, als ob er unbedingt wissen wollte, was da auf dem Boot vor sich ging.«
Canon 6D, Sigma-Objektiv 50 – 500mm f4,5 – 6,3 bei 500mm; 1/30 Sek. bei Blende 6,3; ISO 800. (Bild: Daniël Nelson 16), Niederlande / WPOTY) Das gute Leben Junger Naturfotograf des Jahres 2017
Daniël begegnete Caco im Wald des Nationalparks Odzala in der Demokratischen Republik Kongo. Eine dreistündige Wanderung durch dichte Vegetation und begabte Fährtenleser hatten ihn zur Futterstelle von Neptunos 16-köpfiger Familie geführt, wo er an eine der wenigen an den Menschen gewöhnten Gruppen Westlicher Flachlandgorillas ganz nah herankam. Die Tiere labten sich an der Überfülle süßer Früchte in der Regenzeit; auf dem Bild freute sich Caco über die besonders saftige Frucht des Okwabaums, auch als Afrikanischer Brotfruchtbaum bekannt. Caco ist schon etwa neun Jahre alt und wird die Familie bald verlassen. Er wird immer muskulöser und kühner und hält sich bereits am Rand der Gruppe auf. Bald wird er ein einzelgängerischer Silberrücken sein, sich vielleicht mit anderen Männchen zusammentun und in acht bis zehn Jahren wohl eine eigene Familie gründen.
Westliche Flachlandgorillas sind vom Aussterben bedroht: Sie werden illegal für den Buschfleischmarkt bejagt – erleichtert durch die Abholzung und Bergbaustraßen –, infizieren sich immer häufiger mit dem Ebola-Virus, verlieren zunehmend Lebensraum an Bergwerke und Palmölplantagen und leiden unter den Auswirkungen des Klimawandels. Mit seinem fesselnden Porträt – Caco fühlt sich in seiner Umgebung sichtlich wohl – ist es Daniël gelungen, die große Ähnlichkeit zwischen Menschenaffe und Mensch sowie die Bedeutung des Waldes, von dem das Überleben der Art abhängt, einzufangen.
Canon EOS-1DX, Canon-Objektiv 28mm f2,8; 1/250 Sek. bei Blende 9; ISO 200; Blitzlicht. (Bild: Brent Stirton, Südafrika / WPOTY) Mahnmal für eine Spezies Naturfotograf des Jahres 2017
Ein Spitzmaulnashornbulle liegt tot im Hluhluwe-iMfolozi-Park in Südafrika, er ist vor weniger als acht Stunden erschossen worden. Seine Mörder lauerten ihm an einer Wasserstelle auf, schossen mit einem Jagdgewehr mit Schalldämpfer auf ihn und hackten ihm die Hörner ab. Die Autopsie ergab, dass die erste Kugel das Tier durchschlagen und massive Gewebsverletzungen verursacht, es aber nicht getötet hatte. Der Bulle rannte noch ein Stück um sein Leben, bevor er zusammenbrach und aus nächster Nähe von einer Kugel in den Kopf getroffen wurde.
Das Bild steht symbolisch für die Dezimierung der Nashornpopulationen in ganz Afrika und ist im Rahmen meist verdeckter Nachforschungen zum mittlerweile dramatischen Anstieg des illegalen Handels mit den Hörnern der Tiere entstanden. Spitzmaulnashörner waren einst am zahlreichsten unter allen Nashornarten der Welt vertreten; heute sind sie vom Ausster- ben bedroht, es gibt in freier Wildbahn wahrscheinlich nur noch etwa 4000 der Tiere.
Der bei Naturfotografinnen und -fotografen weltweit äußerst begehrte Preis "Wildlife Photographer of the Year" wird jährlich vom Londoner Natural History ausgeschrieben. Dabei werden herausragende künstlerische Naturfotos gesucht. Amateure und Profis, junge Nachwuchstalente und anerkannte Fotografen, können ihre Aufnahmen in unterschiedlichen Kategorien einsenden und von einer Fachjury begutachten lassen. Die Bewertungskriterin sind Originalität, Kreativität und technischer Komplexität der Bilder.
Über 50.000 Einsendungen aus 92 Ländern kamen beim diesjährigen Wettbewerb zusammen. Fotografinnen und Fotografen aller Altersklassen konnten sich beteiligen - die jüngste Gewinnerin, Ekaterina Bee aus Italien, war gerade einmal fünfeinhalb Jahre alt, als sie ihr Gewinnerbild schoss. Am 17. Oktober wurden im Londoner Museum feierlich die Gewinner gekürt . Eine eindrucksvolle Sammlung von Bildern kam zusammen, die auch die immer tiefgreifenderen Folgen des menschlichen Raubbaus an der Natur eindrucksvoll dokumentiert. Gesamtsieger des Wettbewerbs wurde Brent Stirton aus Südafrika mit dem tragischen Foto eines Nashornbullens, der von Wilderern wegen seiner Hörner getötet wurde.
Wildlife-Ausstellung tourt bis zum Frühjahr Die besten hundert Bilder werden bei der „Wildlife Photographer of the Year Exhibition“ ausgestellt, die letzte Woche in London eröffnete und bis zum Frühjahr 2018 rund um die Welt zu Gast sein wird. Auch in Deutschland und der Schweiz ist sie zu sehen, und zwar vom 25. 11. 2017 bis zum 3. April im Westfälischen Pferdemuseum Münster und vom 1. 12. 2017 bis zum 3. 6. 2018 om Naturhistorischen Museum Basel.
In der Galerie oben können Sie die fünfzehn erstplatzierten Bilder ansehen und mehr über den Hintergrund der Aufnahmen erfahren. Hier sehen Sie dreizehn weitere Fotos der Finalistinnen und Finalisten.
(Bild: Knesenbeck)
Begleitend zum Wettbewerb und zur Ausstellung erscheint Außerdem das Buch "Wildlife - Fotografien des Jahres - Portfolio 27" im Knesebeck-Verlag. Die beeindruckenden Naturaufnahmen werden hier auf 160 Seiten mit 150 farbigen Abbildungen präsentiert. Das Buch ist im Handel für 34,95 Euro erhältlich.
Die DigitalPHOTO verlost im November den packenden Bildband zum Wildlife Photographer of the Year 2017- mehr Informationen gibt es morgen auf unseren Socialmedia-Kanälen !
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