Canon erweitert sein spiegelloses Vollformatsegment mit der Canon EOS R5 und Canon EOS R6 um gleich zwei neue Kameras. Warum die Neuheiten den Markt maßgeblich verändern werden, und was die EOS-1D X Mark III damit zu tun hat, klären wir hier.
Es wirkt wie ein Neustart des EOS R-Systems: Nachdem die EOS R die Erwartungen vieler Vollformat-Fotografen nicht erfüllen konnte – auch wir hatten zur Einführung des EOS R-Systems Kritikpunkte angemerkt–, legt Canon nun nach.
Mit gleich zwei neuen CSC-Kameras, angesiedelt im Top-Segment, sollen nun auch alle Kritiker auf Ihre Kosten kommen. Dabei handelt es sich um die bereits angekündigte EOS R5, eine Vollformatkamera für Vollprofis, sowie um die EOS R6, eine ebenfalls spiegellose Vollformatkamera für Fortgeschrittene und Profis mit weniger hohen Ansprüchen.
Aus den vorab veröffentlichten Ankündigungshäppchen von Canon ließ sich bereits ableiten, dass es sich bei der EOS R5 um eine sehr leistungsstarke, spiegellose Vollformatkamera handeln würde. Jetzt durften wir sie selbst in Händen halten und wurden nicht enttäuscht. Dass sich der japanische Hersteller dazu entschieden hat, gleich ein zweites, deutlich günstigeres Schwestermodell auf den Markt zu bringen, begrüßen wir und sind uns sicher, dass beide Kameras das Marktgeschehen maßgeblich beeinflussen werden.
Canon EOS R5 vs. Canon EOS R6
Kamera | Canon EOS R5 | Canon EOS R6 |
Sensor | CMOS (36 x 24 mm), 45 MP (8.192 x 4.320 px) | CMOS (36 x 24 mm), 20,1 MP (5.472 x 3.648 px) |
Bildstabilisierung | ja | ja |
ISO-Bereich | 100-51.200 (50/102.400) | 100-102.400 (50/204.800) |
Sucher | 0,5-Zoll-OLED, 5,69 Mio. BP, 100 % Bildfeldabdeckung | 0,5-Zoll-OLED, 3,69 Mio. BP, 100 % Bildfeldabdeckung |
Monitor | 3,15-Zoll-LCD, 2,1 Mio. BP, touch, dreh- & schwenkbar | 3-Zoll-LCD, 1,62 Mio. BP, touch, dreh- & schwenkbar |
Video | 8K RAW, 30p / 4K, 120p | 4K, 60p |
Serienbilder | bis zu 20 Bilder pro Sekunde (elektronischer Verschluss) | bis zu 20 Bilder pro Sekunde (elektronischer Verschluss) |
Speicherkarten | 1x CFexpress, 1x SD (UHS-II) | 2 x SD (UHS-II) |
Schnittstellen | USB 3.1, Micro-HDMI, Kopfhörer- & Mikrofon-Anschluss, WiFi & Blutooth | USB 3.1, Micro-HDMI, Kopfhörer- & Mikrofon-Anschluss, WiFi & Blutooth |
Akkuleistung | 320 Fotos bei aktiviertem Sucher | 380 Fotos bei aktiviertem Sucher |
Größe/Gewicht | 136 x 98 x 88 mm, 650 g | 138 x 98 x 88 mm, 598 g |
Es gibt viele Schnittpunkte zwischen den beiden neuen EOS R-Kameras. Vor allem in den Bereichen Bildstabilisierung, Autofokus, Geschwindigkeit und Handling sind sich die beiden Kameras sehr ähnlich. Beginnen wir bei der Bildstabilisierung: In beiden Kameras arbeitet ein 5-Achsen-Bildstabilisator.
Die Sensoren in Kamera und Objektiv tauschen sich dauerhaft aus, um eine bestmögliche Stabilisierung ohne Vignettierung am Bildrand zu erreichen. Canon spricht hierbei von koordinierter Bildstabilisierung. Selbst mit einem nicht bildstabilisierten Objektiv wie dem professionellen RF 28-70mm F2L USM soll dank des großen Bildkreises eine Bildstabilisierung von bis zu achtBlendenstufen möglich sein.
Bei manuell adaptierten Objektiven lässt sich die Brennweite im Kameramenü einstellen, sodass auch hier die integrierte Bildstabilisierung optimal funktionieren soll.
Kommen wir zum Autofokus, der bei beiden Kameras nahezu gleich ist. Canon vertraut weiterhin auf die Dual-Pixel-CMOS-AF-Technologie. Bei automatischem AF-Betrieb greift der Autofokus auf das gesamte Sensorbild zu. Wer das AF-Feld lieber manuell auswählt, kann dieses auf 100 Prozent der horizontalen und 90 Prozent der vertikalen Sensorfläche (entspricht rund 6.000 Autofokuspositionen) platzieren.
Beeindruckend ist auch der Bereich, für den Canon volle AF-Funktionalität verspricht: Die EOSR 5 soll zwischen -6 und +20 LW (LW = Lichtwert) und die EOS R6 zwischen –6,5 und +20LW fokussieren und damit praktisch sowohl bei Dunkelheit als auch bei grellstem Licht arbeiten.
In beiden spiegellosen Kameras arbeitet der gleiche Bildprozessor: der Digic X. Diesen kennen wir bereits aus dem kürzlich getesteten Topmodell Canon EOS-1D X Mark III, der zurzeit besten digitalen Spiegelreflexkamera auf dem Markt. Die EOS R5 und R6 besitzen wie die High-end-DSLR auch die Deep-Learning-AF-Technologie und sollen Menschen, Tiere oder Objekte auf Wunsch automatisch im Fokus halten.
In der EOS-1D X Mark III unterstützt der Bildprozessor DigicX ein rasantes Serienbildtempo, auf das sich auch Fotografen der EOS R5 bzw. R6 freuen dürfen: Beide Neuheiten sollen Motive mit einer Geschwindigkeit von bis zu 20 Bildern pro Sekunde einfangen. Voraussetzung dafür ist der im Kameramenü eingeschaltete elektronische Verschluss. Bei mechanischem Verschluss sind nach Herstellerangabe immer noch zwölf Bilder pro Sekunde möglich.
Die Geschwindigkeit der Kameras reicht aus, um Sport und rasante Action problemlos festhalten zu können. Im Handling sind sich die beiden Spiegellosen ebenfalls ähnlich. Beide EOS R-Modelle besitzen ein kompaktes Kameragehäuse, einen dreh- und schwenkbaren Touch-Monitor sowie einen hochauflösenden elektronischen Sucher.
Neben einem Daumenrad bietet die hintere Bedienoberfläche auch einen Joystick. Vom Smart Controller der EOSR hat sich Canon offenbar vorerst verabschiedet. Im ersten Hands-on-Eindruck macht die Kombination aus Joystick und Daumenrad einen tollen Eindruck. Auf der rechten Gehäuseseite wartet bei beiden Kameras ein dualer Kartenslot auf – ein wichtiges Detail für viele Profifotografen, die mit simultaner Datensicherung gewährleisten wollen, dass Fotos und Videos auch im Falle einer defekten Speicherkarte noch vorhanden sind. Genug der Gemeinsamkeiten – widmen wir uns nun den Einzelheiten beider Kameras.
Canon EOS R5: Für Profifotografen
» Mit Schulterdisplay: Die Oberseite der EOS R5 besitzt ähnlich wie die EOS R ein Top-Display (Schulterdisplay), das die wichtigsten Parameter anzeigt.
» Übersichtliche Bedienoberfläche: Die Tasten wirken sinnvoll platziert, hinzu glänzt die Rückseite mit hochauflösendem Sucher und Monitor.
An der exorbitant hohen Videoauflösung der EOS R5, die Canon bereits im Vorhinein ankündigte, ließ sich bereits ableiten, dass es sich um einen sehr hochauflösenden Sensor handelt. Und so ist es auch: Mit 45 Millionen Pixeln ist der Vollformatsensor der EOS R5 mehr als üppig bestückt.
Fotografen der Kamera können sich zwischen einem Lichtempfindlichkeitsbereich von ISO 100 und 51.200 austoben und bei Bedarf den Wert auf bis zu ISO 102.400 erhöhen. Parameter wie die Lichtempfindlichkeit zeigt die EOS R5 auf einem Schulterdisplay an.
Ein weiteres Highlight ist das bereits angesprochene Videoformat: Die EOS R5 ist die erste spiegellose Vollformatsystemkamera auf dem Markt, die ein Bewegtbild mit Dual-Pixel-CMOS-AF-Technologie in bis zu 8K-RAW und mit 30 Bildern pro Sekunde aufzeichnet. Wichtig dabei: Die EOS R5 zeichnet das Video anders als die EOS R ohne Crop-Faktor auf.
Ebenso beeindruckend ist, dass die Kamera 4K-Videos in bis zu vierfacher Zeitlupe ermöglicht. Im Kameramenü lässt sich das Videoformat mit den drei Parametern Auflösung, Bildrate und Komprimierungsart benutzerdefiniert auswählen.
Eine Zebramuster-Funktion warnt den Filmer auf Wunsch vor unter- und überbelichteten Bildbereichen. Für professionelle Nachbearbeitung ist die EOS R5 ebenso mit Canon Log ausgestattet, einem sehr flauen Bildprofil, das viel Raum zur Bearbeitung offen lässt.
Daneben ist auch ein HDR-Modus verfügbar, mit dem das spiegellose EOS-Topmodell die Motive bereits mit hohem Kontrast aufzeichnet. Außerdem sind Zeitrafferaufnahmen in 8K-Auflösung möglich. Bei all den hochauflösenden Videos ist eine schnelle Datensicherung nötig. Daher hat sich Canon neben einem SD-Kartenslot mit UHSII- Unterstützung bei der EOS R5 für einen CFexpress-Speicherkartenslot entschieden.
Das ist ebenfalls ein Detail, das wir bereits von der Canon EOS-1D X Mark III kennen. Ein weiteres Highlight der EOS R5 im wettergeschützten Gehäuse ist das sogenannte Frame-Grabbing, bei dem die Kamera auf Wunsch Einzelfotos aus Videoaufnahmen zieht. Beim Filmen in 8K-Auflösung können Sie auf bis zu 30 Bilder pro Sekunde mit einer Auflösung von jeweils 35,4 Megapixel zugreifen.
Wer diese Funktion gezielt nutzen möchte, sollte das in den Kameraeinstellungen der Canon EOSR5, vor allem in puncto Verschlusszeit, beachten. Zur Drahtloskommunikation ist die EOS R5 mit WLAN (5GHz & 2,4 GHz) als auch mit Bluetooth ausgestattet. Canon möchte noch in diesem Monat mit der Auslieferung der Kamera starten. Der Preis ist mit 4.499Euro (19 Prozent MwSt.) zwar hoch, aber aus unserer Sicht fair bemessen.
Canon setzt mit der EOS R5 und EOS R6 die Konkurrenten ordentlich unter Druck. Beide Neuheiten werden den Markt deutlich beeinflussen.
- Tim Herpers, Test & Technik
Canon EOS R6: Die Systemkamera für alle
» Klassisches Moduswahlrad: Anders als die EOS R5 besitzt die EOS R6wie viele EOS-DSLRs ein klassischen Moduswahlrad.
» Dreh- und schwenkbarer Monitor: Die Tastenbelegung der EOS R6 ist gleich der des Schwestermodells. Ebenso ist der Monitor beweglich.
Weiter geht’s mit dem Schwestermodell EOS R6, das sich zwar unterhalb der R5, aber oberhalb der EOS R positioniert. Die Kamera richtet sich an Hochzeitsfotografen, Bildjournalisten und Umsteiger von schnellen EOS-Modellen wie der Canon EOS 7D Mark II.
Der bildstabilisierte Vollformatsensor der EOS R6 zeichnet 20 Megapixel auf und bietet einen Lichtempfindlichkeitsbereich von ISO 100 bis 102.400 (erweiterbar auf 204.800). Anders als die EOS R5 verfügt die R6 nicht über ein Schulterdisplay.
An einigen weiteren Stellen hat Canon den Rotstift angesetzt und die Ausstattung der R6 im Vergleich zur R5 reduziert. So sind der elektronische Sucher sowie der dreh- und schwenkbare Touch-Monitor der EOS R6 nicht so hochauflösend wie bei der EOS R5. Auch beim Videomodus müssen Fotografen mit weniger Auflösung als bei der EOS R5 zurechtkommen: Da die EOS R6 aber dennoch eine Videoaufl ösung von bis zu 4K bei 60 Bildern pro Sekunde liefert, dürfte das nur Vollprofis stören.
Durch den Verzicht auf 8K-Video ist ein duales SD-Kartenfach mit UHS-II-Standard ausreichend. CFexpress entfällt, und das schont den Geldbeutel. Apropos: Mit einem Neupreis von 2.699Euro (19 Prozent MwSt.) ist die EOS R6 deutlich erschwinglicher als ihr Schwestermodell. Allerdings müssen sich Interessenten der spiegellosen Kamera noch etwas gedulden: Canon plant eine Markteinführung der EOSR6 im August dieses Jahres.
Akku, Akkugriff, WiFi-Transmitter
Neben den beiden Kameraneuheiten hat Canon auch einen neuen Akku, einen Akkugriff sowie einen WiFi-Transmitter vorgestellt. Beim Akku handelt es sich um den LP-E6NH, eine Überarbeitung des bekannten Akkus, der nun über eine um 14 Prozent höhere Kapazität verfügen soll und zudem abwärtskompatibel ist.
Der Canon BG-R10 ist ein Hochformatgriff für beide neuen EOS-Modelle. Für die EOS R5 wird Canon außerdem den WiFi-Transmitter WFT-R10 anbieten.
Erster Eindruck: Wie ein Neustart
Gespannt haben wir auf die finale Vorstellung der EOSR5 gewartet und wurden nicht enttäuscht. Der Vorteil der Doppelvorstellung leuchtet ein und erinnert ein wenig an den damaligen Einstieg von Nikon ins spiegellose Vollformatsegment: Mit einer extrem hochauflösenden Kamera spricht der Hersteller Vollprofis an, denen neben kompromissloser Bildqualität und hoher Detailtreue eine üppige Ausstattung sowie ein erstklassiges Handling wichtig sind.
Daneben erwartet weniger anspruchvolle Fotografen eine abgespeckte Version des Topmodells mit vielen Parallelen zum High-end-Modell. Für die allermeisten Hobbyfotografen wird die EOS R6 ausreichen, auch wenn die EOS R5 mit einzigartigen Qualitäten wie 8K-Video zum Kauf lockt. Letztlich wird auch der Preis über den Kauf entscheiden - und da steht die Canon EOS R6 mit rund 2.700 Euro sehr gut da.
Wir freuen uns auf ein Duell mit der Sony Alpha 9 II, die ebenso rasant, allerdings mit einem Neupreis von 5.399 Euro doppelt so teuer ist. Kann Canon hier tatsächlich einen Coup landen und das Topmodell von Sony schlagen? Und wie steht es um Nikon? Im Vergleich der EOS R5 mit der Z7 scheint die Nikon den Kürzeren zu ziehen - zumindest beim Vergleich der Datenblätter.
Doch der Vergleich beider Kameras hinkt etwas, immerhin ist das CSC-Topmodell von Nikon rund zwei Jahre alt. Diese Zeit hat Canon sinnvoll genutzt, um den Markt nun mit innovativen Produkten anzureichern und wieder für mehr Rivalität unter den Herstellern zu sorgen –auch wegen der neuen Objektive.